Große Fische werden eher gejagt als kleine

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 31.5.2013 Viel wird in diesen Tagen über das Unwesen der Steuerhinterziehung dabattiert, über aggressive Steuergestaltung von Unternehmen, den Ankauf von CDs mit Steuerdaten, internationale Abkommen zum...

Große Fische werden eher gejagt als kleine

Von Angela Wefers, BerlinViel wird in diesen Tagen über das Unwesen der Steuerhinterziehung dabattiert, über aggressive Steuergestaltung von Unternehmen, den Ankauf von CDs mit Steuerdaten, internationale Abkommen zum automatischen Informationsaustausch und über das Ende des Bankgeheimnisses in Ländern, die sich so etwas vor kurzer Zeit nicht hätten träumen lassen. Kehrseite der Medaille ist die Steuerfahndung, die von den Auswirkungen möglicher Änderungen unmittelbar betroffen ist. Einen Blick in die Praxis haben in Berlin die Landesvertretungen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erlaubt. Sie ließen in einer Konferenz Steuerfahnder zu Wort kommen und aus ihrem Alltag berichten.Nicht zuletzt steckte dahinter das Plädoyer, die Steuerverwaltung und -fahndung bei den Ländern zu belassen. Die politische Forderung nach einer Bundessteuerverwaltung ist nicht vom Tisch und dürfte spätestens bei einer neuen Föderalismusreform wieder deutlich zu hören sein. Zuletzt 2007, bei der Föderalismusreform II, hatte der Bundesrechnungshof die Einführung einer Bundessteuerverwaltung verlangt. Als wesentliche Gründe nannten die Rechnungsprüfer, dass die Steuergesetze gegenüber Bürgern und Unternehmen durch die regionale Zuständigkeit nicht einheitlich angewendet werden und damit die Steuergerechtigkeit verletzt wird. Zudem haben die Länder nach Auffassung des Rechnungshofs kein ausreichendes Eigeninteresse, die Steuern vollständig und rechtzeitig zu erheben. Denn in der Tat steht den Ländern nur ein Teil der Einnahmen zu. Fahndung in UnternehmenEines der schlagenden Argumente der Länder, die Steuerfahndung in ihrer Hoheit zu belassen, ist die enge Kooperation innerhalb der Finanzämter. Bei 40% bis 45% ihrer Fälle sind die Steuerfahnder in Unternehmen unterwegs. Die Spanne reicht von der steueroptimierenden Gewinnverlagerung multinationaler Konzerne bis hin zum Gastwirt um die Ecke, der einen Teil seiner Einnahmen in schwarzen Kassen verschwinden lässt. Die Praxis der Fahnder zeigt, dass vielfach die Betriebsprüfer den Anstoß für einen Anfangsverdacht geben. Und dies geht – wenn alle im Finanzamt unter einem Dach sitzen – auf dem kleinen Dienstweg über den Flur. Knapp 30% der Fälle betreffen den organisierten Umsatzsteuerbetrug über grenzüberschreitende Karussell- und Kettengeschäft. Der Steuerbetrug, der in der öffentlichen Debatte derzeit den größten Raum einnimmt, macht nur einen kleineren Teil aus. Rund 20% der Fälle der Fahnder betreffen Kapitalanlagen im Ausland – von natürlichen Personen bis hin zu komplexen Stiftungskonstruktionen.Während sich die Fahnder nicht an (Bundes-)Ländergrenzen halten müssen und deutschlandweit sowie mit dem Bundeszentralamt für Steuern gut kooperieren, wurde jedoch deutlich, dass Kapazitäts-, Personal- und IT-Engpässe sie sehr wohl zu einer Entscheidung zwingen, welche Fälle vorrangig verfolgt werden. Größere Fische werden eher gejagt als kleine. Auch das Zuständigkeitsgebiet der Finanzämter spielt ein Rolle: Wo wenig los ist, haben die Fahnder mehr Zeit, um zu suchen. ——–Steuerfahnder müssen mit ihrer Kapazität haushalten. Die Steuergerechtigkeit leidet.——-