Großstädte mit neuem Schuldenrekord

Trotz sprudelnder Steuern - EY fordert Neuordnung der Kommunalfinanzierung

Großstädte mit neuem Schuldenrekord

ge Berlin – Die Gesamtverschuldung deutscher Großstädte hat einen neuen Rekordwert erreicht – trotz sprudelnder Steuereinnahmen dank der brummenden Konjunktur. Insgesamt sind die Schulden der 75 Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern (ohne die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg) im vergangenen Jahr um fast 1 Mrd. auf 82,4 Mrd. Euro geklettert, ermittelte die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Dieser ungebremste Anstieg trotz günstiger Rahmenbedingungen zeige deutlich, “dass wir es hier mit einem strukturellen und nicht mit einem konjunkturell bedingten Problem zu tun haben”, urteilt Bernhard Lorentz, Partner bei EY und Leiter des Bereichs Government & Public Sector für die deutschsprachigen Länder. “Einige Städte gerade im Westen Deutschlands stehen mit dem Rücken zur Wand.”Dies gilt umso mehr, da die gute Konjunktur an den besonders stark verschuldeten Großstädten offenbar vorbeigeht. Hier stiegen die Schulden auch 2016, während die geringer belasteten Kommunen ihre Verbindlichkeiten weiter abbauen konnten (siehe Grafik). Wenn nun die Zinsen wieder steigen, könnte die Kluft zwischen Arm und Reich in den nächsten Jahren noch größer werden. Lorentz hält daher eine Neuordnung der kommunalen Finanzierung für nötig, die in notleidenden Städten haushaltspolitische Disziplin belohnt, andererseits aber auch Entwicklungschancen und Perspektiven bietet. Immer weiter auseinanderlaufende Lebensverhältnisse zwischen reichen und armen Städten bergen jedenfalls “erheblichen gesellschaftlichen Sprengstoff”. Zudem sei absehbar, dass das Altern der Gesellschaft zu merklichen zusätzlichen Belastungen führen werde, denen die heute schon überschuldeten Städte nicht gewachsen sein werden. NRW-Städte tief im MinusIm gesamtdeutschen Durchschnitt entfielen 2016 auf jeden Großstadtbewohner Schulden von 4 131 Euro – wobei EY nicht nur die Kernhaushalte, sondern auch die Verbindlichkeiten kommunaler Unternehmen und Extrahaushalte berücksichtigt hat. Die Hauptverantwortung für die mehrheitlich weiter steigenden Verbindlichkeiten sieht Lorentz in dem massiven Anstieg der Sozialausgaben, die allein im Vorjahr um ein Zehntel auf 59 Mrd. Euro geklettert sind. Spitzenreiter bei der Pro-Kopf-Verschuldung war Ende 2016 Oberhausen mit 9 680 Euro vor Mülheim an der Ruhr mit 9 163 Euro. Aber auch in der Nachbarschaft ist die Lage nicht viel besser: Von den 20 deutschen Großstädten mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung liegen 15 in Nordrhein-Westfalen, listet EY auf. Dagegen finden sich unter den 20 Städten mit der niedrigsten Verschuldung je Einwohner mit Düsseldorf, Paderborn und Hamm nur drei aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland – wobei die Landeshauptstadt zuletzt den stärksten Verschuldungsanstieg (von 63 % in den fünf Jahren bis 2016) zu verzeichnen hatte. Die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung hatten Ende vergangenen Jahres Braunschweig (453 Euro), Wolfsburg (910) und Jena (981 Euro).