LEITARTIKEL

Grün ist die Hoffnung

Der Höhenflug der Grünen in der Europawahl hat wieder Musik in die Bundespolitik gebracht. Robert Habeck, Spitzenmann der einst als Umweltschützer gestarteten Partei, wird schon als Kanzler und Nachfolger von Angela Merkel (CDU) gehandelt. Neue...

Grün ist die Hoffnung

Der Höhenflug der Grünen in der Europawahl hat wieder Musik in die Bundespolitik gebracht. Robert Habeck, Spitzenmann der einst als Umweltschützer gestarteten Partei, wird schon als Kanzler und Nachfolger von Angela Merkel (CDU) gehandelt. Neue Umfragen sehen die Grünen mit 27 % im Bund gleichauf mit der geschwächten CDU/CSU, gefolgt von AfD und SPD im Allzeittief – beide 12 % -, der FDP mit 8 % und der Linken mit 7 %. Nach dem Scheitern des Jamaika-Bündnisses im Herbst 2017 und dem mühsamen Weg zur Wiederauflage der großen Koalition blitzen nun neue Varianten auf. Der linke Flügel der geschwächten und nur interimistisch geführten SPD träumt von einem rot-rot-grünen Bündnis – wohl verkennend, dass auch diese Konstellation derzeit keine Mehrheit hat und die SPD in der verhassten Rolle des Juniorpartners bleiben würde. Neuwahlen heißt für manche das Zauberwort. Die Regierungsparteien können daran wegen der aktuell schlechten Umfragewerte kein Interesse haben, auch wenn sie mehr Last als Lust am Regieren ausstrahlen. Für die Grünen wäre es absurd, jetzt ein Jamaika-Bündnis anzustreben, sollte die SPD nach absehbar schlechtem Abscheiden in den Landtagswahlen im Herbst doch die Regierung verlassen. Die Grünen hätten bei Neuwahlen im Bund viel bessere Chancen als bisher. Die FDP will ohnehin keine Regierung mit Merkel an der Spitze mittragen. Ein Kanzlerinnen-Wechsel scheint für die Union wegen der niedrigen Sympathiewerte von CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer derzeit nicht opportun. Die Entwicklung in der SPD ist angesichts der langen führungslosen Zeit mit viel Raum für basisdemokratische Debatten wenig kalkulierbar. Bis zum regulären Parteitag im Dezember, bei dem der neue Vorsitz, vielleicht ein Duo, gewählt werden soll, werden interne Machtkämpfe ausgefochten werden. Sie können eine eigene Dynamik mit unbestimmter Richtung entwickeln. Der Regierungsarbeit ist dies abträglich.Den Grünen kommt zugute, dass Klimaschutz in der Europawahl als wichtigstes Thema die Flüchtlingspolitik abgelöst hat. Beide Felder werden von den deutschen Wählern als europäische Themen angesehen – anders als Sozialpolitik, die nach Ansicht der Stimmberechtigten eine nationale Aufgabe ist. Dies hat die SPD gespürt. Viel Stimmung für den Klimaschutz hat die professionell von Nichtregierungsorganisationen gesteuerte “Fridays for Future”-Bewegung gemacht. Die Ironie dabei ist, dass mehr darüber diskutiert wurde, ob Schule schwänzen für die Umwelt in Ordnung ist, als die Frage beleuchtet, ob die Jugend auch in der Freizeit ihr Herz für den Klimaschutz entdeckt hat. Fakt ist aber: Die deutschen Volksparteien können nicht liefern. Die Einhaltung der Klimaziele bis 2030 ist gefährdet. CDU, CSU und SPD setzen sich jetzt erst in Gang, Konzepte zu durchdenken. Dazu gehört etwa, dass ein inkonsistentes System von Steuern und Abgaben auf Energie hierzulande schon heute Wirtschaft und Bürger erheblich belastet. Es orientiert sich aber nicht am CO2-Ausstoß, wie es sinnvoller wäre, sondern am Energieverbrauch. Verschiedene Energieträger werden ohne ersichtlichen Grund unterschiedlich stark belastet. Im Herbst will das sogenannte Klimakabinett der Bundesregierung liefern und bis zum Jahresende entscheidungsreife Regierungsentwürfe ins parlamentarische Verfahren einbringen. Spannungen in der Koalition sind vorgezeichnet. Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben und wirft Verteilungsfragen auf. Die Angst vor deutschen Gelbwesten ist groß. Verführerisch wäre es deshalb, Ausnahmen von der Energiebesteuerung für die Wirtschaft zu streichen. Aber Vorsicht: Diese sozialpolitisch scheinbar einfache Lösung hat gefährliche Folgen auf dem Arbeitsmarkt.——Von Angela WefersAuf den Grünen ruht die Hoffnung, die klimapolitischen Lösungen zu haben. Aber können sie auch mehr als das, wie es eine führende Regierungspartei muss?——