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Gute Gründe für die Abgeltungsteuer

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 13.1.2017 Hohe Überschüsse im Staatshaushalt und stetig wachsende Steuereinnahmen - da können Politiker nicht widerstehen. Die Wohltaten, die es 2017 als Wahlversprechen gibt, heißen Steuersenkungen. Sie...

Gute Gründe für die Abgeltungsteuer

Von Angela Wefers, BerlinHohe Überschüsse im Staatshaushalt und stetig wachsende Steuereinnahmen – da können Politiker nicht widerstehen. Die Wohltaten, die es 2017 als Wahlversprechen gibt, heißen Steuersenkungen. Sie sollen aber vor allem Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen erreichen und den sogenannten Mittelstandsbauch im Einkommensteuertarif abspecken. Dabei gerät auch die Abgeltungsteuer ins Visier der Reformer. Denn Reiche, um es so platt zu sagen, sollen endlich wieder mehr Steuern auf Kapitalerträge zahlen. Das zumindest meinen schon lange SPD, Grüne und die Linke. Kapitalerträge wollen sie wieder dem progressiven Einkommensteuertarif unterwerfen. Mit der 2009 eingeführten Abgeltungsteuer zahlen Anleger auf Zinsen, Veräußerungsgewinne und Dividenden 25 % (plus Solidaritätszuschlag). Das scheint weniger als der Spitzensteuersatz von 42 % oder gar 45 % für Spitzenverdiener.Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) liebäugelt schon seit geraumer Zeit mit der Abschaffung der Abgeltungsteuer. Im Herbst 2017 startet der internationale automatische Informationsaustausch von Steuerdaten. Dann gibt es für Schäuble keinen triftigen Grund mehr für eine Sonderbehandlung der Kapitalerträge. Den Widerstand in der SPD-Fraktion gegen die Abgeltung hatte Schäubles Amtsvorgänger Peer Steinbrück (SPD) mit der Begründung “Besser 25 % von X als nix” gebrochen. Damals musste der Steuerpflichtige seine Kapitalerträge noch selbst deklarieren. Das Vermögen konnte er im Ausland verstecken. Doch SPD, Grünen und der Linken ist die niedrigere Belastung der Kapitalerträge im Vergleich zum Arbeitseinkommen ein Dorn im Auge. Entlastete VerwaltungObwohl der politische Gegenwind gegen die Abgeltungsteuer stark ist, gibt es gute Gründe, die für das Regime sprechen. Für die Finanzverwaltung bedeutet die Abgeltungsteuer eine erhebliche Erleichterung. Banken und Sparkassen behalten die Steuer samt Solidaritätszuschlag – und seit 2015 gegebenenfalls auch einschließlich Kirchensteuer – ein und führen sie an das Finanzamt ab. Ob eine Rückkehr zum alten System die Kreditwirtschaft entlasten würde, ist zweifelhaft. Wenn die Institute die Steuer auch nicht mehr einbehalten müssten, so dürften sie zumindest einer Meldepflicht an die Finanzämter unterliegen. Für den Fiskus wären die Kosten der Steuererhebung auf jeden Fall deutlich höher als heute – und gegen den Nutzen möglicher höherer Einnahmen abzuwägen.Zweifel gibt es auch daran, ob der neue Informationsaustausch wirklich zu Transparenz führt. Nicht alle 51 Länder, die mitmachen, liefern brauchbare Daten. Fraglich ist auch, ob die Abkehr von der Abgeltungsteuer tatsächlich mehr Steuereinnahmen bringt. Denn nicht in jedem Fall werden “Reiche” tatsächlich weniger durch die Abgeltungsteuer belastet als im Einkommensteuerregime. Bei Zinsen und Veräußerungsgewinnen liegt die Steuerlast durch die Abgeltung tatsächlich unter dem Spitzensteuersatz. Bei Dividenden ist es allerdings umgekehrt. Denn rechnet man die Vorbelastung auf Unternehmensebene ein, kommen die Steuerexperten des Bundesfinanzministeriums auf eine Belastung von etwas mehr als 48 %. Im Spitzensatz sind es dagegen nur etwas mehr als 44 %. Da dem Ministerium zufolge vor allem Spitzenverdiener die Gewinner der Abgeltungsteuer sind, würde eine Umstellung auf das Einkommensteuersystem zu Steuereinbußen von rund 1 Mrd. Euro jährlich führen. Zudem müssten bei der Rückkehr zum Einkommensteuersystem auch Verluste aus Wertpapierveräußerungen und Werbungskosten wieder geltend gemacht werden dürfen. Dies ist bei der Abgeltung nicht der Fall.Dabei hat das Aufkommen in den vergangenen Jahren schon stark nachgelassen. Im Jahr der Einführung 2009 nahm der Fiskus 12,4 Mrd. Euro ein. Schon im Jahr darauf rutschte das Aufkommen auf 8,7 Mrd. Euro. Die Steuerschätzer prognostizieren einen weiteren Rückgang bis 2021 um rund 30 % (siehe Grafik). Dies hängt mit dem gesunkenen Zinsniveau zusammen. 2015 legte das Aufkommen um rund 500 Mill. Euro zu. Die Steuerschätzer führen dies auf verstärkte Gewinnmitnahmen nach dem Boom der Aktienmärkte zurück, auch wenn die Statistik unscharf ist, weil Steuern auf Zinsen nicht von denen auf Veräußerungsgewinne getrennt werden. Firmenfinanzierung im BlickUnterstützung erfährt die Abgeltungsteuer noch aus einem anderen Lager. Der Sachverständigenrat für Wirtschaft plädierte schon in seinem Gutachten 2015 für deren Beibehaltung, weil andernfalls die Finanzierungsneutralität von Unternehmensinvestitionen leiden würde. Im aktuellen Regime seien Fremdkapital und einbehaltene Gewinne, also die Thesaurierungsfinanzierung, steuerlich gleichgestellt. Die Abschaffung der Abgeltungsteuer kommt aus Sicht der Sachverständigen einer Steuererhöhung für den Unternehmenssektor gleich. Gerade bekannt gewordene Pläne der CDU/CSU, in der nächsten Legislaturperiode ein Unternehmenssteuergesetzbuch einzuführen, setzen die Zukunft der Abgeltungsteuer damit noch einmal in ein neues Licht. Die Gefahr ist aber groß, dass die Aufmerksamkeit dafür im Strudel einer großen Strukturreform der Unternehmensbesteuerung untergeht und die Steuer gleich mit verschwindet.