NOTIERT IN WASHINGTON

Gutschriften für eine Amerikareise

Der amerikanische Kongress und die Regierung von US-Präsident Donald Trump könnten dem Beispiel einiger europäischer Länder folgen und demnächst finanzielle Anreize einführen, um Millionen Amerikaner, die unter Lagerkoller leiden, zum Reisen zu...

Gutschriften für eine Amerikareise

Der amerikanische Kongress und die Regierung von US-Präsident Donald Trump könnten dem Beispiel einiger europäischer Länder folgen und demnächst finanzielle Anreize einführen, um Millionen Amerikaner, die unter Lagerkoller leiden, zum Reisen zu animieren. Die Tourismusverbände United States Travel Association (USTA) und American Hotel and Lodging Association (AHLA) haben einen Forderungskatalog veröffentlicht, in dem sie unter anderem für Steuergutschriften von bis zu 4 000 Dollar pro Familie plädieren. Wer sich inmitten der Corona-Pandemie aus den eigenen vier Wänden traut, Amerika bereist und damit der stark angeschlagenen Fremdenverkehrsbranche einen dringend notwendigen Impuls gibt, könnte dies steuerlich geltend machen. Die Verbände ziehen eine Parallele zwischen der neuen Initiative und Gutschriften, die 2008 nach dem Platzen der Preisblase am Immobilienmarkt für den Kauf eines Eigenheims angeboten wurden. Damals machten fast zwei Millionen Menschen von dem steuerlichen Anreiz Gebrauch. Voraussetzung wäre den Plänen zufolge diesmal, dass die Reise bis Weihnachten beendet ist. Dann könnte die Hälfte der Ausgaben für Hotels, Leihwagen, Flugtickets, Mahlzeiten und andere Kosten, die 50 Dollar übersteigen, abgesetzt werden.Der USTA-Vorsitzende Roger Dow zeichnet jedenfalls ein düsteres Bild. “Unsere Wirtschaft befindet sich in einer Rezession, doch die Tourismusindustrie steckt längst in einer Depression”, sagt Dow. Erwartet wird, dass als Folge der Pandemie Haushalte ihre Etats für Urlaubsreisen um bis zu zwei Drittel zusammenstreichen. Abgeneigt ist Trump, der seine Wiederwahl sicherstellen will und daher dringend eine Konjunkturwende in die Wege leiten will, keineswegs. So hatte sein Finanzminister Steven Mnuchin nach Ausbruch der Krise gesagt, dass “jetzt der ideale Zeitpunkt wäre, um Amerika zu bereisen”. Auch hatte Trump kürzlich bei einem Gespräch mit Topmanagern aus der Branche die Möglichkeit einer, wie er es nannte, “Erforsche Amerika”-Steuergutschrift angesprochen. Experten sind angesichts des psychologischen Effekts, den das Virus entfaltet hat, und der daraus resultierenden Berührungsängste skeptisch, inwieweit ein solcher Anreiz tatsächlich helfen würde, den Fremdenverkehr zu beleben. *Die USA ringen derzeit mit zwei historischen Krisen, die völlig verschieden, aber dennoch eng miteinander verflochten sind. Die Coronavirus-Pandemie hat mehr als 100 000 Todesopfer gefordert, und Besserung ist nicht in Sicht. Zudem hat während der letzten Tage der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd quer durch das Land zu Ausschreitungen geführt, die an die Rassenunruhen der sechziger Jahre erinnern. Angesichts der seit Jahrzehnten immer wiederkehrenden Polizeigewalt vor allem gegen Schwarze ist die Verzweiflung nachvollziehbar. Aber auch die Pandemie hat dazu beigetragen, dass sich der geballte Zorn und die Frustration in dieser gewaltsamen Form entladen. Und was macht der amerikanische Präsident? Donald Trump verschanzt sich hinter den Toren des Weißen Hauses und taucht vorübergehend in einem Bunker unter. Seine Stellungnahmen beschränken sich auf Kurzbotschaften per das soziale Netzwerk Twitter, in denen er den oppositionellen Demokraten, allen voran dem Präsidentschaftskandidaten Joe Biden, und wie gehabt den Medien die Schuld gibt. Er übernimmt keine persönliche Verantwortung für jene polarisierenden Aussagen, mit denen er in bald vier Jahren Präsidentschaft die Nation weiter gespalten hat. Dann lässt er friedliche Demonstrationen mit Tränengas und Gummigeschossen auflösen, um mit einer Bibel in der Hand vor einer Kirche für ein Wahlkampfmotiv zu posieren – in der Hoffnung, evangelikale Anhänger an der Basis zu beeindrucken.Auch weigert sich Trump beharrlich, dem Rat von Wissenschaftlern und medizinischen Experten zu folgen. Alles mit dem Ziel, die Wirtschaft schneller zu öffnen und seine Wiederwahlchancen zu erhöhen. Bisher geht die Strategie aber nicht auf, denn in sämtlichen Wählerumfragen rutscht Trump fünf Monate vor der Wahl immer weiter ab.