Habeck hält konjunkturellen Wendepunkt für erreicht
"Es geht wieder aufwärts"
Habeck sieht mit der Prognosesenkung für 2023 die Bodenbildung erreicht – Optimistischere Inflationserwartung als der IWF
Die Bundesregierung hat ihre Prognosen für das laufende Jahr wie erwartet deutlich gesenkt – sieht mittlerweile aber eine Bodenbildung erreicht. Wachstumsimpulse sollen 2024 vor allem vom privaten Verbrauch ausgehen. Die Opposition warf der Ampel vor, die wirtschaftliche Lage schönzureden.
ahe Berlin
Die Bundesregierung hat ihre konjunkturellen Erwartungen für dieses Jahr deutlich heruntergefahren. Sie stellt für 2023 nun statt eines leichten Wachstums um 0,4% eine preisbereinigt um 0,4% gegenüber dem Vorjahr schrumpfende Wirtschaftsleistung in Aussicht. In den kommenden beiden Jahren soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dann aber wieder um 1,3% beziehungsweise 1,5% steigen.
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte in dieser Woche seine BIP-Prognose für Deutschland schon auf ein Minus von 0,5% gesenkt. Deutschland ist für den Fonds damit das einzige führende Industrieland mit einer in diesem Jahr schrumpfenden Wirtschaftsleistung. „Wir kommen langsamer aus der Krise heraus als gedacht“, räumte am Mittwoch auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Vorstellung der Herbstprojektionen in Berlin ein. Der Grünen-Politiker begründete die Prognosesenkung gegenüber dem Frühjahr insbesondere mit den Nachwehen des russischen Kriegs in der Ukraine sowie konkret mit dem steilen Zinsanstieg und der reduzierten Bilanz im Außenhandel, die Deutschland als Exportnation besonders treffe.
Habeck geht allerdings davon aus, dass mittlerweile eine Bodenbildung erreicht ist. „Wir verlassen das Tal, es geht wieder aufwärts“, betonte er. Die Regierung geht nun davon aus, dass die wirtschaftliche Entwicklung zur Jahreswende wieder an Dynamik gewinnt und sich im weiteren Verlauf des Jahres 2024 dann deutlich beschleunigt. Wachstumsimpulse soll die Binnenkonjunktur und hier insbesondere der private Konsum liefern.
Früchte der Ampel-Politik?
Die erwartete Stimulierung der Binnennachfrage, die dann auch der schwächelnden chinesischen Konjunktur etwas entgegensetzen soll, hat nach Einschätzung von Habeck durchaus auch einiges mit der derzeitigen Politik der Ampel-Koalition zu tun. Der Minister verwies in dem Zusammenhang auf Investitionen aus dem Klima- und Transformationsfonds, das Wachstumschancengesetz, die Impulse vom jüngsten Baugipfel, die Diversifizierungspolitik bei den Energieimporten oder auch die Arbeiten an der Fachkräftesicherung. Diese Maßnahmen trügen Früchte, zeigte sich Habeck optimistisch. Deutschland sei nicht wehrlos den weltwirtschaftlichen Schwächen ausgeliefert.
Auch bei der Inflation rechnet die Bundesregierung im nächsten Jahr mit einer spürbaren Entspannung. Nach einer Teuerungsrate von 6,1% in diesem Jahr ist demnach 2024 mit einem deutlichen Rückgang auf 2,6% und 2025 auf 2,0% zu rechnen, den Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB). „Die Inflation geht runter“, sagte Habeck. „Entsprechend erwarten wir auch, dass die Binnenkonjunktur anzieht.“ Für das kommende Jahr zeigt sich die Ampel mit diesen Inflationsprognosen deutlich optimistischer als der IWF in seinem in dieser Woche veröffentlichten neuen Ausblick.
Arbeitsmarkt bleibt robust
Welche Folgen der Krieg in Israel auf die Konjunktur haben wird, ist nach den Worten von Habeck derzeit noch nicht vorhersehbar. Er verwies aber darauf, dass trotz der kurzfristigen konjunkturellen Schwäche der Arbeitsmarkt „robust“ bleibe. Die Arbeitsnachfrage sei angesichts des Fachkräfte- und allgemeinen Arbeitskräftemangels nach wie vor auf hohem Niveau. Aufgrund der schwachen Konjunktur habe die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen zuletzt zwar etwas abgenommen, dies dürfte sich mit der konjunkturellen Belebung jedoch wieder umkehren.
In der Wirtschaft stieß der optimistische Ton von Habeck auf Kritik: Die Stimmung sei alles andere als gut, erklärte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). „Es fehlt weiterhin das Signal zum Aufbruch“, monierte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. „Hohe Energiepreise, Unsicherheit über die zukünftige Energieversorgung, hohe Steuer- und Abgabenbelastung, Bürokratie, Fachkräftemangel und schleppende Weltkonjunktur belasten die Geschäfte.“ Der Krieg in der Ukraine und der Konflikt im Nahen Osten seien zusätzliche Belastungen.
Und Marie-Christine Ostermann, die Präsidentin des Verbands der Familienunternehmer, betonte: „Alles wortgewandte Drehen und Wenden der prognostiziert schwachen Wirtschaftsleistung lässt nur einen Schluss zu: Wenn der Zug der Weltwirtschaften 2024 nicht ohne uns Fahrt aufnehmen soll, muss die Ampel sofort sämtliche Weichen auf Angebotspolitik umstellen.“ Nur damit könne die Regierung Deutschland wieder nachhaltig auf einen Wachstumskurs führen.
Die Union warf der Regierung vor, die Situation schönzureden. „Die Ampel muss endlich das vor einem Jahr beschlossene Belastungsmoratorium ernst nehmen“, so Julia Klöckner (CDU), wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. „Wir brauchen Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie ein wettbewerbsfähiges Steuersystem.“
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
Privatkonsum | 3,9 | –0,5 | 1,8 | 1,7 |
Staatskonsum | 1,6 | –2,2 | 1,3 | 1,1 |
Bruttoanlageinvestitionen | 0,1 | 0,4 | 0,4 | 2,0 |
Ausrüstungen | 4,0 | 3,8 | 2,9 | 3,3 |
Bauten | –1,8 | –1,3 | –1,7 | 1,1 |
Sonstige Anlagen | –0,7 | 0,0 | 2,6 | 2,5 |
BIP (real) | 1,8 | –0,4 | 1,3 | 1,5 |
Arbeitslosenquote (BA) | 5,3 | 5,7 | 5,7 | 5,5 |
Verbraucherpreise | 6,9 | 6,1 | 2,6 | 2,0 |
Sparquote | 11,1 | 11,1 | 10,7 | 10,7 |