IM INTERVIEW: DANIEL ANDRICH, DELEGIERTER DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT IN WASHINGTON

Handelsabkommen der USA im Blick behalten

Nafta-Nachverhandlung könnte Autoindustrie belasten - US-Steuerreform bringt Vorteile

Handelsabkommen der USA im Blick behalten

Die Nachverhandlungen des Nafta-Abkommens sollte die deutsche Wirtschaft nicht auf die leichte Schulter nehmen, mahnt Daniel Andrich, Delegierter der deutschen Wirtschaft in Washington (Representative of German Industry and Trade, RGIT) im Interview der Börsen-Zeitung. Der Optimismus der deutschen Unternehmen bezüglich ihrer US-Geschäfte überrascht Andrick etwas.- Die USA haben derzeit mit Donald Trump einen Präsidenten, dem vor allem der bilaterale deutsche Handelsüberschuss ein Dorn im Auge ist. Kann man bei dieser US-Regierung noch effektiv das Gegenargument anführen, dass trotz des Überschusses deutsche Unternehmen hunderte von Milliarden Dollar in den USA investiert und mehrere hunderttausend Arbeitsplätze geschaffen haben?Es ist richtig, dass die Administration nicht nur auf die Außenhandelsbilanz schauen sollte, sondern auch die 292 Mrd. Dollar, welche 4 700 deutsche Unternehmen in den USA investiert haben, sowie die 674 000 Jobs, die wir geschaffen haben, berücksichtigen sollte. Bei Gesprächspartnern im Kongress und auch innerhalb der Regierung stoßen wir mit diesem Argument auch weiterhin auf offene Ohren. Zu befürchten ist allerdings, dass diese Einsicht nicht in politische Handlungen umgesetzt wird, weil eine Reihe von handelspolitischen Entscheidungen letzten Endes eben doch beim Präsidenten liegen.- Befürchten Sie also allein wegen des Handelsüberschusses Vergeltungsmaßnahmen von amerikanischer Seite?Es wird auf amerikanischer Seite laufend geprüft, welches die Gründe für die unbestreitbaren und substanziellen Ungleichgewichte im Warenhandel sind. Wir versuchen in unseren Gesprächen mit der Regierung, etwa auch mit dem Büro des Handelsbeauftragten Robert Lighthizer, darauf hinzuweisen, dass man das Handelsdefizit nicht über eine einseitige Einschränkung der Importe abbauen sollte. Vielmehr sollte sich die US-Wirtschaft darauf konzentrieren, die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Exporte zu erhöhen. Das würde auch helfen, die amerikanische Exportwirtschaft weniger von Hightech-Produkten abhängig zu machen und die Präsenz jenes verarbeitenden Gewerbes, das Präsident Trump fördern will, auf den internationalen Märkten zu erhöhen.- Also stehen keine Retorsionsmaßnahmen im Raum?Ich will nicht leugnen, dass einzelne Schutzmaßnahmen tatsächlich diskutiert worden sind. Sie sind aber noch nicht umgesetzt worden. Das dürfte vor allem daran liegen, dass der Fokus der Handelspolitik unter Trump momentan deutlich mehr auf den Nafta-Raum als den transatlantischen Handel gerichtet ist.- Apropos Nafta: Es sieht ja keineswegs so aus, als würde Nafta unter Trump Bestand haben können, egal ob es nun nachverhandelt oder aufgekündigt wird. Welche Form von Nachbesserung wäre denn für deutsche Unternehmen, die in den USA tätig sind, gerade mit Blick auf die Lieferketten am ehesten verkraftbar, und welche muss man befürchten?Wir verstehen, dass ein Abkommen, das nun 23 Jahre alt ist, aktualisiert werden soll. Das gilt zum Beispiel für den Bereich des digitalen Handels und für die Digitalisierung zahlreicher Branchen, die damals erst langsam begann. Große Sorgen machen wir uns hingegen in Bezug auf die Vorschläge von US-Seite, die in der Autobranche zu einer Deliberalisierung führen würden. Das gilt insbesondere für neue Kriterien, welche die US-Regierung für Ursprungsregeln und den minimalen amerikanischen Anteil einführen will. Die US-Handelsdelegierten schlagen dabei vor, dass die Einzelteile der Autoimporte in die USA zu 85 % aus dem Nafta-Raum stammen sollen und allein der amerikanische Anteil mindestens 50 % betragen soll. Dabei sind die gegenwärtigen Nafta-Ursprungsregeln im Automobilbereich mit 62,5 % im internationalen Vergleich ohnehin schon sehr hoch. Wenn das zur Realität wird, dann hätte dies gravierende Folgen für die Lieferketten der deutschen Autobauer. Auch die vorgeschlagene “Sunset Clause”, also ein Ablaufdatum des Abkommens, würde die Verlässlichkeit und Planbarkeit für die Unternehmen massiv einschränken.- Welche Folgen für die deutsche Wirtschaft erwarten Sie von der US-Steuerreform, über die am Mittwoch abgestimmt worden ist?Viele Unternehmen in den USA, auch deutsche Tochterunternehmen, begrüßen die Herabsetzung der Körperschaftssteuer von 35 auf 21 %. In der Industrie kommt auch gut an, dass Abschreibungsmöglichkeiten bei Investitionen in Maschinen verbessert werden sollen. Damit haben die Republikaner im Kongress eines ihrer großen legislativen Vorhaben abgeschlossen, um die Attraktivität des Investitionsstandorts USA zu steigern. Wir sind erleichtert zu sehen, dass sich der Vorschlag des Repräsentantenhauses nicht durchgesetzt hat, konzerninterne Warenlieferungen in die USA zu besteuern.- Der jüngste Geschäftsausblick (GABO) der deutsch-amerikanischen Handelskammer in New York strotzt ja vor Zuversicht und sagt unter anderem, dass 100 % aller deutschen Unternehmen planen, ihre Investitionen und ihre Geschäftstätigkeit in den USA auszubauen. Ist das nicht vor dem Hintergrund der aktuellen steuer- und handelspolitischen Debatte etwas zu optimistisch?Die sehr positiven Aussichten haben mich ehrlich gesagt auch überrascht. Ich kann mir das vor allem damit erklären, dass die standortpolitischen Maßnahmen eine entscheidende Rolle gespielt haben. Der amerikanische Markt ist und bleibt eben so groß und wichtig, dass es selbst vor dem aktuellen politischen Hintergrund ausreicht, wenn man den die Voraussetzungen für Investitionen am Standort USA verbessert. Dazu zählen niedrigere Unternehmenssteuern, Deregulierung – die ja schon erkennbar zu Buche schlägt – und außerdem eine Verbesserung der Infrastruktur. Entsprechende politische Maßnahmen könnten ja durchaus das nächste große legislative Vorhaben der Regierung und des Kongresses sein.- Über das transatlantische Handelsabkommen TTIP redet ja eigentlich keiner mehr. Sehen Sie denn noch Chancen, dass es zu irgendeinem Abkommen, wenn auch deutlich verwässert, mit dieser US-Regierung noch kommen kann?Vor dem Hintergrund des Wunsches der Trump-Regierung, das Handelsdefizit abzubauen, ist es natürlich schwer, eine Vereinbarung zu treffen, die auch europäischen Exporteuren Handelserleichterungen bringt. Dennoch ist die Bereitschaft, darüber zu sprechen, in der US-Regierung grundsätzlich vorhanden. Vorbei scheinen wenigstens die Zeiten, wo Regierungsvertreter den Wunsch äußerten, ein Handelsabkommen nicht mit der EU, sondern bilateral mit Deutschland aushandeln zu wollen.—-Das Interview führte Peter De Thier.