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Hans-Jürgen Papier 70

lz - Vor gut drei Jahren hat Hans-Jürgen Papier die rote Robe des Verfassungsrichters an die Wand gehängt. Auch wenn sein Nachfolger Andreas Voßkuhle die öffentliche Präsenz des Gerichtspräsidenten zuletzt weiter verstärkt hat und die Würde des...

Hans-Jürgen Papier 70

lz – Vor gut drei Jahren hat Hans-Jürgen Papier die rote Robe des Verfassungsrichters an die Wand gehängt. Auch wenn sein Nachfolger Andreas Voßkuhle die öffentliche Präsenz des Gerichtspräsidenten zuletzt weiter verstärkt hat und die Würde des Gerichts hochhält, hinterlässt Papier in Karlsruhe immer noch eine recht beachtliche Lücke. Sein intellektueller Scharfsinn gepaart mit seiner persönlichen Zurückhaltung verlieh seinen wohlgesetzten Worten stets große Überzeugungskraft. Vor allem hat er die Tagespolitik immer wieder mit Verve an die demokratischen Grundlagen ihres Handelns und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen für Verhalten und Strukturen in der Politik erinnert.Auch wenn er in seiner Funktion als Verfassungsrichter eine ganze Reihe von wichtigen Gesetzen zerpflückte und an die Politik zurückverwies, wurde er gleichwohl im Politikbetrieb immer hoch geachtet und kaum angefeindet, wie das etwa sein damaliger Richterkollege Paul Kirchhof leider hat erfahren müssen.Nachdem im Zuge der Euro-Krise die Regierungen immer mehr unter Handlungsdruck gerieten und die Parlamente wegen der postulierten “Alternativlosigkeit” schleichend entmachtet wurden, wies Papier in seinem letzten Amtsjahr vor allem auf die besondere Bedeutung des Parlamentarismus in einer Demokratie hin. Als gefährlich brandmarkte er etwa Bestrebungen, demokratische Gepflogenheiten zu straffen, weil vielen Akteuren auf den Finanzmärkten politische Entscheidungen zu langsam erfolgten. Papier gab zu bedenken, dass die Staaten alles tun müssten, um sich deshalb aus der Verstrickung mit den Märkten zu lösen, was nur über eine Rückführung der hohen Verschuldung möglich sei. Auch die Europapolitik war seiner Ansicht nach inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem eine weitere Übertragung von nationalen Souveränitätsrechten nur durch eine Abstimmung über eine neue Verfassung möglich erscheint. Nach seinem Weggang hat das Gericht der weiteren europäischen Integration aber bislang keine weiteren Steine in den Weg gelegt. Politik verliert TuchfühlungAuch während seiner Lehrtätigkeit an der Universität München nach seinem Ausscheiden schaltete sich Papier immer wieder gern in den öffentlichen Diskurs ein. Derzeit treibt ihn die Angst um, dass die Politik die Tuchfühlung mit dem Normalbürger verliert – mit womöglich tragischen Folgen. Und auch nach seiner Emeritierung hebt er immer wieder die Stimme.Papier wurde 1943 in Berlin geboren, war Professor in Bielefeld und München sowie Richter in Münster. 1998 wurde er als Richter ans Verfassungsgericht berufen, ein Amt, das er ab 2002 bis zu seinem Ausscheiden 2010 auch als dessen Präsident ausübte.