Harter Brexit rückt näher

Neue Meinungsumfrage zeigt Mehrheit für "Remain" - Theresa Mays will keine Einigung "um jeden Preis"

Harter Brexit rückt näher

Von Andreas Hippin, London”Wir sind jetzt ein Land mit einer Mehrheit für Remain”, hat die zum Teil vom Finanzinvestor George Soros finanzierte Anti-Brexit-Kampagne “Best for Britain” stolz auf Facebook bekannt gegeben. Zuvor waren die Ergebnisse einer von Channel 4 in Auftrag gegebenen Umfrage des Meinungsforschers Survation, der 2014 das Ergebnis des schottischen Unabhängigkeitsreferendums richtig vorhergesagt hatte, veröffentlicht worden. Von den 20 000 nun online Befragten beantworteten 54 % die 2016 beim EU-Referendum gestellte Frage mit “Remain”. Der Fernsehsender machte daraus eine einstündige Politshow mit großem Studiopublikum. Der Labour-Abgeordnete Barry Gardiner, der im Falle eines Wahlsieges seiner Partei für internationalen Handel zuständig wäre, und der konservative Justizminister David Gauke warnten davor, die Spaltung des Landes weiter zu vertiefen. Die anwesenden Brexit-Gegner wie Caroline Lucas, die einzige Unterhausabgeordnete der britischen Grünen, sahen das anders. Nigel Farage, der ehemalige Führer der UK Independence Party wirkte zeitweise wie eine Stimme der Vernunft.Tony Blair, “Best for Britain” und den Gruppen, die sich für ein erneutes EU-Referendum einsetzen, geht es nicht darum, einen möglichst weichen Brexit zu erreichen. Sie wollen den Austritt mit allen Mitteln verhindern. Dadurch steigt paradoxerweise die Gefahr eines “harten” Brexit – also eines chaotische Abgangs aus der Staatengemeinschaft. Sie verschweigen ihren Anhängern, dass die Frage von 2016 nicht mehr zur Abstimmung gestellt werden muss, weil Brüssel kein Interesse daran hat, London Privilegien, wie den Verzicht auf die Einführung des Euro und die von Margaret Thatcher erkämpften Rabatte, erneut zu gewähren. Sollte es wirklich zu einer Wiederholung des Referendums kommen, müssten sie sich während der Übergangsphase nach dem Brexit-Termin erneut um die Mitgliedschaft bewerben, um wieder dabei sein zu dürfen. “Daumen hoch!”Premierministerin Theresa May unterrichtete gestern ihr Kabinett über den Stand der Verhandlungen. Gleich zu Beginn der dreistündigen Sitzung machte sie dem Vernehmen nach, dass sie in Sachen Austrittsvereinbarung nicht zu einer Einigung “um jeden Preis” bereit sei. Zuvor hatte ihr Irlands Premierminister Leo Varadkar telefonisch Druck gemacht. Die britische Regierung will nun eine Alternative zum von der Kommission formulierten “Backstop” für Nordirland ausarbeiten, der eine harte Grenze auf der Grünen Insel verhindern soll. Das brauche Zeit, sagte ein Sprecher von Downing Street. Eine weitere Kabinettssitzung sei für diese Woche nicht angesetzt. “Daumen hoch!”, sagte der für den Brexit zuständige Staatssekretär Dominic Raab nach der Kabinettssitzung vor Journalisten. Zuvor war bereits spekuliert worden, er werde zurücktreten. Der Befürworter eines klaren Schnitts mit Brüssel hatte im Oktober persönlich bei EU-Verhandlungsführer Michel Barnier interveniert, um einen Deal zu verhindern, durch den Nordirland de facto aus dem Vereinigten Königreich herausgebrochen worden wäre.”Sieht so aus, als würden wir uns auf ,No Deal` zu bewegen”, twitterte Jeffrey Donaldson, Fraktionsführer der Democratic Unionist Party (DUP) im Unterhaus. “So ein Ergebnis hätte schwerwiegende Konsequenzen für die Wirtschaft der Republik Irland. Zudem müsste Großbritannien der EU keinen Penny mehr bezahlen.” Er verstehe nicht, warum die irische Regierung so entschlossen an diesem Kurs festhalte. Auch die DUP, deren Stimmen May benötigt, könnte für einen “harten” Brexit sorgen.