KOMMENTAR

Haushalts-Blabla

In den Achtzigern gab es einen recht bekannten Cartoon: Ein junger Lehrer saß heulend in einem fast leeren Klassenzimmer - und ein mitfühlender Sextaner tröstete seinen Pauker mit den Worten: "Mein Gott, das wird bestimmt noch häufiger vorkommen,...

Haushalts-Blabla

In den Achtzigern gab es einen recht bekannten Cartoon: Ein junger Lehrer saß heulend in einem fast leeren Klassenzimmer – und ein mitfühlender Sextaner tröstete seinen Pauker mit den Worten: “Mein Gott, das wird bestimmt noch häufiger vorkommen, dass Sie einem Schüler eine Fünf geben müssen.” Daran fühlte sich erinnert, wer die jüngste Überprüfung der nationalen Haushalte durch die EU-Kommission verfolgt. Fast scheint es so, als wolle die EU-Behörde nicht Frankreich und Italien mehr Zeit geben – sondern sich selbst. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Paris bis März die Reformen durchgesetzt hat, an die sich seit Jahren keine französische Regierung herantraut, ist ähnlich gering wie die Aussicht, dass Italien urplötzlich Maßnahmen ergreift, um seinen riesigen Schuldenberg merklich zu verringern. Im Grunde hat die EU-Behörde mit der Vertagung von Konsequenzen für die Defizitsünder deshalb nur selbst ein wenig Zeit gewonnen, um sich nicht unmittelbar nach Amtsantritt bei zwei der wichtigsten EU-Partner unbeliebt zu machen. Dass EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker begleitend schon einmal wissen ließ, er würde am liebsten auch im Frühjahr Milde walten lassen, vervollständigt das Bild einer Haushaltskontrolle, bei der die Prüfer alles dafür tun, nichts zu finden, was sie sanktionieren müssten.Gewiss, man mag sich ja akademisch darüber streiten können, inwieweit die Maastricht-Systematik geeignet ist, Nationalstaaten in einer Währungsunion haushaltspolitisch zu steuern. Worüber sich aber ganz und gar nicht diskutieren lässt, ist: Die EU-Kommission darf nicht einerseits in Sonntagsreden bejubeln, der Pakt sei in den vergangenen Jahren gestärkt worden – durch regelgebundene, quasi automatische Vorgaben. Und sich dann andererseits scheuen, eine Regierung zu tadeln, wenn sie erkennbar die Regeln verletzt. Die Ansage von Pierre Moscovici, die EU-Kommission werde “nicht zögern, ihrer Verantwortung nachzukommen”, erscheint angesichts der erneuten Vertagung wie reines Blabla.