Heil und Müller drücken aufs Tempo

Lieferkettengesetz soll "in dieser Legislaturperiode" kommen - Verbände laufen Sturm - Altmaier bremst

Heil und Müller drücken aufs Tempo

Schluss mit freiwillig: Die Bundesminister Hubertus Heil (SPD) und Gerd Müller (CSU) treiben Pläne voran, nach denen Firmen haften sollen, wenn Geschäftspartner im Ausland gegen Menschenrechte verstoßen. Wirtschaftsverbände laufen Sturm. Auch innerhalb der Regierung ist das Vorhaben umstritten.rec Frankfurt – Deutsche Unternehmen müssen womöglich schon bald dafür haften, wenn ihre Geschäftspartner im Ausland die Menschenrechte missachten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bekräftigten gestern ihre Absicht, eine solche Sorgfaltspflicht verbindlich in einem entsprechenden Gesetz festzuschreiben. Heil und Müller wollen das Gesetzesvorhaben nach eigener Auskunft “noch in dieser Legislaturperiode” abschließen.Das seit Jahren geplante Lieferkettengesetz ist in der Wirtschaft heftig umstritten. Insbesondere bei den Spitzenverbänden stößt das Vorhaben auf Ablehnung. Auch innerhalb der Bundesregierung zeichnet sich keine klare Linie ab. Das Bundeswirtschaftsministerium bremst. “Schnellschüsse verbieten sich bei so wichtigen Themen wie diesem”, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums der Nachrichtenagentur dpa. Branchenverbände protestieren mit Verweis auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Verbraucherverbände und Gewerkschaften sind für ein Lieferkettengesetz.Hintergrund des Vorhabens ist der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), den die Bundesregierung im Dezember 2016 verabschiedet hat. Dieser beruht auf Vorgaben der Vereinten Nationen zur Verantwortung von Unternehmen, was die Beachtung von Menschenrechten in globalen Lieferketten betrifft. Die Ergebnisse einer Firmenbefragung, die Heil und Müller gestern vorstellten, machten deutlich, “dass wir nicht mehr alleine auf Freiwilligkeit setzen können”, sagte Heil. Für diesen Fall hatten Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, “national gesetzlich tätig” zu werden und sich “für eine EU-weite Regelung einzusetzen”. Ernüchternde Firmenumfrage2 250 Unternehmen hatten Fragebögen erhalten, 455 schickten gültige Antworten zurück. Nur 91 gaben an, sämtliche 37 Kriterien zu erfüllen, um Standards für Menschenrechte und Umwelt in ihren Lieferketten sicherzustellen. Ihr Anteil war somit kaum höher als bei einem ersten Umlauf im vorigen Jahr. Der Monitoringprozess sei somit “kläglich gescheitert”, konstatierte Müller.Mehrere Wirtschaftsverbände hatten die Erhebung im Vorfeld kritisiert. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), wies sie gestern als “kein abschließend seriöses Instrument” zurück. Deutsche Unternehmen seien bei Fragen der Umwelt- und Menschenrechtsstandards weltweit “an der Spitze”. Andere kritisierten das geplante Gesetz als Belastung insbesondere für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU).Die Minister wiesen die Kritik zurück. Das Lieferkettengesetz werde “nur verlangen, was machbar und verhältnismäßig ist”, sagte Heil. Das Vorhaben richte sich an Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Deutschlandweit wären dann circa 7 300 Firmen betroffen. Laut Müller müssten sie künftig eine Risikoanalyse vornehmen und Verstöße von Lieferanten gegen soziale Mindeststandards abstellen, wenn diese “absolut offensichtlich” seien. Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) äußerte die Befürchtung, große Firmen würden die bürokratischen Lasten “an ihre kleineren Geschäftspartner in der Lieferkette” weitergeben. Diese kämen dadurch “an die Grenzen ihrer Belastbarkeit”. Andere Verbände sprachen sich gegen einen nationalen Alleingang aus.Heil und Müller verwiesen in einer gemeinsamen Erklärung zwar auf eine ähnliche Gesetzesinitiative der EU-Kommission, die für 2021 angekündigt ist. Trotzdem müsse Deutschland Vorreiter sein: “Es ist wichtig, dass Europas größte Volkswirtschaft vorangeht”, sagte Heil. Im Kabinett sollten nun zügig die Eckpunkte des Gesetzes erarbeitet werden, so dass nach Ende der parlamentarischen Sommerpause im August der Gesetzgebungsprozess anlaufen könne. Neben SPD und Teilen der Union drängen im Bundestag auch Grüne und Linke auf ein Lieferkettengesetz.