LEITARTIKEL

Hellas-Lehren für die EZB

Das griechische Schuldendrama hat mit der Aussicht auf ein drittes Rettungsprogramm vorerst an Dramatik verloren. Es wäre aber völlig verfrüht, bereits das "Ende" zu verkünden. Niemand kann garantieren, dass die Verhandlungen nicht doch noch...

Hellas-Lehren für die EZB

Das griechische Schuldendrama hat mit der Aussicht auf ein drittes Rettungsprogramm vorerst an Dramatik verloren. Es wäre aber völlig verfrüht, bereits das “Ende” zu verkünden. Niemand kann garantieren, dass die Verhandlungen nicht doch noch scheitern. Mehr noch aber sollte sich niemand der Illusion hingeben, Griechenland werde mit einem dritten Programm gleich zur “blühenden Wirtschaft” (EZB-Chef Mario Draghi). Griechenland wird auf Jahre ein Sorgenkind bleiben, und ein Grexit ist keinesfalls vom Tisch. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist es für die Europäische Zentralbank (EZB) dringend geboten, jetzt Lehren aus dem Griechenland-Drama zu ziehen – und dabei geht es um weit mehr als um Hellas.Lehre Nummer eins: Die EZB muss frühzeitig und klar aufzeigen, was für sie geht und was nicht – also rote Linien ziehen. In den vergangenen Monaten hat sie das bei den ELA-Notfallkrediten für Griechenlands Banken versäumt. Stets aufs Neue hat sie willig Liquiditätslücken gestopft und tut das auch jetzt wieder. Aktuell beläuft sich der ELA-Rahmen auf 90 Mrd. Euro. Sie hat so lange die unwürdige politische Hängeparte ermöglicht und Kapitalflucht alimentiert. Sie hat sich zudem mindestens dem Verdacht der Konkursverschleppung bei Banken und der monetären Staatsfinanzierung ausgesetzt. Für ihre Reputation ist das fatal. Nun argumentieren einige Experten, es sei schlicht Aufgabe der EZB als “Kreditgeber der letzten Instanz”, die Banken zu stützen. Richtig ist, dass sie da eine Verantwortung hat. Das kann aber nicht heißen, dass sie stets einspringt, ganz gleich, welche Ursachen den Problemen zugrunde liegen. EZB-Hilfe darf es nicht unlimitiert und unkonditioniert geben.Das gilt auch deshalb, weil – und das ist Lehre Nummer zwei – die EZB nicht unbegrenzt Risiken auf die eigene Bilanz nehmen sollte. Insgesamt ist sie aktuell in Griechenland mit 130 Mrd. Euro engagiert – Geld, das bei einem Grexit großteils verloren wäre. Auch so erklärt sich die Milde der EZB mit Athen. Sicher, einige Beobachter sagen, Risiken dürften für eine Notenbank keine Rolle spielen. Tatsächlich ist es nicht die primäre Aufgabe, Verluste zu vermeiden. Eine Notenbank kann sogar mit negativem Eigenkapital operieren. Es wäre aber absolut fahrlässig, so zu tun, als stellten Verluste gar kein Problem dar. Das spielt auch in die breiten Anleihenkäufe (Quantitative Easing, QE) hinein. Es geht um die Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern. Auf Dauer kann das aber auch an der Glaubwürdigkeit der Notenbank kratzen und es ihr erschweren, ihr Mandat zu erfüllen.Lehre Nummer drei ist, dass sich die EZB von der Politik abgrenzen muss. Sie darf sich nicht so gemein machen mit den Regierungen wie in der Causa Griechenland. Natürlich gibt es immer Berührungspunkte. Aber die Zuständigkeiten zwischen Geld- und vor allem Fiskalpolitik dürfen nicht verwischt werden. Die EZB muss ihre Unabhängigkeit verteidigen. Wie sonst ließe sich irgendwann der Ausstieg aus dem geldpolitischen Großexperiment der vergangenen Krisenjahre bewerkstelligen?Damit eng verknüpft ist Lehre Nummer vier: Die EZB muss die Politik wieder stärker in die Verantwortung zwingen. Sie darf nicht tolerieren, dass die sich, wie bei Griechenland, monatelang vor unbequemen Entscheidungen drückt – nur weil die Notenbank unter mindestens extremer Dehnung von Mandat und Recht den “Laden” am Laufen hält. Vor allem aber muss sie Druck machen, damit die Politik die Währungsunion endlich zukunftsfest macht: ob nun als “Maastricht 2.0” oder mittels mehr Integration – das ist Sache der Politik und der Wähler. Aber eine saubere Lösung ist essenziell. Sonst bleibt die EZB auf ewig als Ausputzer eingespannt.Das führt direkt zu Lehre Nummer fünf: die Grenzen der Geldpolitik anerkennen. Griechenland hat zum einen vor Augen geführt, dass es allein am politischen Willen eines Landes hängt, ob es im Euro bleibt. Die “Unumkehrbarkeit” des Euro gilt also allenfalls für die Währung, nicht für die Zusammensetzung der Eurozone. Dann kann es aber auch die EZB nicht als ihre Aufgabe begreifen, die Währungsunion in der aktuellen Form zu sichern – wie es Draghi 2012 signalisiert hat. Dazu gehört dann wohl auch, dass sie gewisse Unterschiede in den Zinssätzen der Euro-Länder akzeptieren muss und nicht versucht, mit der Notenbankpresse Ungleiches gleich zu machen. Das Akzeptieren der Grenzen der Geldpolitik gilt zum anderen aber auch grundsätzlich: Notenbank, Kreditgeber, Troika-Mitglied, Bankenaufseher – die EZB hat sich zu einem, wenn nicht dem zentralen Akteur in Euroland gewandelt. Das birgt enorme Risiken. Nicht zuletzt weckt es Erwartungen, die die EZB schlicht nicht erfüllen kann. So manchem in der EZB mag der Machtzuwachs gefallen. Aber die Gefahr ist immens, dass das am Ende nach hinten losgeht.——–Von Mark SchrörsDie Europäische Zentralbank spielt in der Griechenland-Krise eine Schlüsselrolle. Sie muss daraus jetzt Konsequenzen ziehen – und die reichen weit über die Causa Hellas hinaus.——-