Helmut Schlesinger 95
Von Mark Schrörs, FrankfurtSeine Zeit an der Spitze der Bundesbank war vergleichsweise kurz. Altersbedingt führte Helmut Schlesinger die Notenbank gerade mal 26 Monate lang in den Jahren 1991 bis 1993. Seine Zeit bei der Bundesbank überhaupt war dafür umso länger: Mehr als 40 Jahre diente Schlesinger der Bundesbank und zuvor der Bank deutscher Länder, der Vorgängerinstitution der Notenbank. Schlesinger, der am Mittwoch seinen 95. Geburtstag feiert, ist also Bundesbanker durch und durch.Nach dem Studium und der volkswirtschaftlichen Promotion 1951 sowie einem kurzen Gastspiel bei dem damals neu gegründeten Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung war Schlesinger 1952 zur Bank deutscher Länder gewechselt. 1972 wurde er Mitglied des Direktoriums und Chefvolkswirt sowie acht Jahre später Vizepräsident. Als im August 1991 der amtierende Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl aufgrund eines zermürbenden Streits mit Bundeskanzler Helmut Kohl über die deutsch-deutsche Währungsunion zurücktrat, wurde Schlesinger dessen Nachfolger. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters von 67 Jahren wurde seine Amtszeit von vornherein auf 26 Monate begrenzt.In den mehr als 40 Jahren hat Schlesinger in den verschiedensten Funktionen die Institution Bundesbank mindestens genauso geprägt wie die Institution ihn. “Stabiles Geld braucht nicht nur eine stabilitätsorientierte Politik von Regierung und Notenbank, sondern auch ein entsprechendes Verhalten der Wirtschaft, der Tarifpartner und der Konsumenten”, sagte er einmal. “Bollwerk der Stabilität”1993 bescheinigte der damalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer Schlesinger, er habe die Bundesbank zu einem “Bollwerk der Stabilität” ausgebaut, und viele Beobachter nannten ihn das “stabilitätspolitische Gewissen” der Bundesbank. Zugleich aber schieden sich an Schlesinger teilweise die Geister. Der ehemalige US-Finanzminister James Baker etwa sah in ihm einen geldpolitischen Hardliner und Anführer einer “Clique starrer Monetaristen”, die “unter jedem Kieselstein” nach der Inflation suchten. Baker hatte in der aus seiner Sicht übertrieben restriktiven Geldpolitik der Bundesbank eine Hauptursache für den Börsencrash im Jahr 1987 ausgemacht.Auch mehr als 25 Jahre nach seinem Ausscheiden bei der Bundesbank beschäftigt sich der passionierte wie versierte Bergkletterer intensiv mit geldpolitischen und europapolitischen Themen. In einem zu seinem 95. Geburtstag veröffentlichten Interview mit dpa äußerte sich Schlesinger jetzt zum Beispiel kritisch zu den breiten Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB). “Es ist schwierig, eine Grenze zu ziehen zwischen dem Kauf von Staatspapieren als geldpolitisches Instrument und Staatsfinanzierung”, sagte er: “Entscheidend ist, ob Ausmaß und Dauer zulässig sind. Die Frage ist, ob man das so dauerhaft und in diesem Ausmaß machen sollte, wie das geschehen ist, so dass ein Drittel der öffentlichen Schulden in der Hand der Notenbank ist.”Schlesinger, der seinen Geburtstag im Kreis seiner Familie feiern wird, hat aber durchaus auch Verständnis für die schwierige Situation der EZB. “Die Lage für die EZB heute ist viel komplizierter als für die Bundesbank damals”, sagte er nun: “Die EZB hat es mit 19 Nationalwirtschaften zu tun, die alle ihre eigenen Probleme haben. Was für Italien gut sein mag, ist nicht unbedingt gut für Deutschland. Die Geldpolitik muss daher die richtige Mischung finden.”