Hilferuf der Schweizer Notenbank

Flucht in den Franken hält an - Kapitalkontrollen rücken immer näher

Hilferuf der Schweizer Notenbank

dz Zürich – Die Flucht in den Franken hat auch in der vergangenen Woche kaum nachgelassen und bringt die Schweizerische Nationalbank (SNB) zunehmend in Not. In Devisenmarktkreisen ist man sich inzwischen weitgehend einig, dass das Noteninstitut kräftig Euro kaufen muss, um den seit dem 6. September geltenden Mindestkurs von 1,20 sfr je Euro zu verteidigen. Die SNB wiederholte seit Monaten gebetsmühlenartig die Botschaft, den Mindestkurs “selbst unter schwersten Bedingungen mit aller Konsequenz” durchzusetzen. Investoren unbeeindrucktDoch die Investoren lassen sich davon offensichtlich nicht mehr beeindrucken. Deshalb untermauerte SNB-Direktionspräsident Thomas Jordan sein Bekenntnis am Wochenende in einem Interview mit der Aussage, man beschäftige sich im Rahmen einer Task Force des Bundes mit der Möglichkeit, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen. “Das war offensichtlich ein Hilferuf”, meint Georg Rich, ehemaliger SNB-Chefökonom, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Damit gehört er zu den vielen Kommentatoren, die den Nutzen eines solchen Regimes in Zweifel ziehen. Die SNB hatte in der letzten großen Kapitalfluchtwelle in den siebziger Jahren die Franken-Konten von ausländischen Depotinhabern mit einem Strafzins von bis zu 10 % pro Quartal belastet, um die Nachfrage nach der Valuta zu brechen. Die Maßnahme blieb aber weitgehend wirkungslos, zumal es schon damals ein Leichtes war, die Franken ins Ausland zu transferieren.Auch weitergehende Restriktionen, mit denen viele Länder in der Vergangenheit versuchten, die eigene Währung abzuschotten, haben sich als wenig nützlich erwiesen. Vergeblich hatte die Schweiz den Ausländern vor bald 40 Jahren den Kauf inländischer Wertschriften verboten. Andere Länder wie Großbritannien versuchten im Gegensatz zur Schweiz ihre Währung zu stützen, indem sie den Landsleuten den Kauf ausländischer Devisen untersagten – auch diese Bemühungen erwiesen sich als unwirksam. Auch verdeckte Kapitalverkehrkontrollen, zu denen etwa die Auflage an Banken und Versicherungen gehörten, einen Großteil ihrer Aktiva in der eigenen Währung anzulegen, vermochten im Europa der achtziger Jahre unerwünschte Bewegungen in den Wechselkursen nicht zu verhindern. Kaum vertretbarer TabubruchMit einer Einschränkung des freien Devisenverkehrs beginge die SNB einen Tabubruch, den das Noteninstitut auch im Internationalen Währungsfonds kaum vertreten könnte. Jordans Warnung wird in Marktkreisen denn auch nicht ernst genommen. Vielmehr kommt sie dort als verzweifelter Appell an, der die Flucht in den Franken sogar noch verstärken könnte, wie Rich befürchtet. “Notenbanken sind gut beraten, nur Aussagen zu machen, die über jeden Zweifel erhaben sind”, mahnt er. Über die Gründe, weshalb sich Jordan mit seiner Bemerkung über Kapitalkontrollen selbst derart offen der Kritik aussetzte, wird in der Schweiz fleißig gerätselt. Möglicherweise versuchte er aus taktischen Überlegungen eine öffentliche Diskussion anzufachen, die dann zu dem Schluss kommen sollte, dass eine geeignete Alternative zur gegenwärtigen Politik direkter Interventionen auf dem Devisenmarkt schlicht nicht existiert. Dass die SNB noch über längere Zeit kräftig intervenieren und ihre ohnehin schon aufgeblähte Bilanz weiter verlängern muss, ist mit Blick auf die verworrene Lage im Euroraum mehr als nur ein wahrscheinliches Szenario.In der Rangliste der beliebtesten Fluchtwährungen behauptet der Schweizer Franken weiterhin den Spitzenplatz, wie Geoffrey Yu, Analyst der UBS Investment Bank in London, in seiner wöchentlichen Analyse der Kundengeldflüsse feststellt. Nur zweimal in diesem Jahr hätten die Großkunden von UBS in einer Woche mehr Euro gegen Franken eingewechselt als in der Woche vor Pfingsten. In der Woche davor hatte die UBS bei den Verschiebungen von Euro- zu Franken-Anlagen sogar das dritthöchste je gemessene Transaktionsvolumen registriert.