ITALIEN

Hochgefährliche Nachsicht

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" - so beginnt ein Gedicht von Hermann Hesse. Für die neue italienische Regierung gilt das nicht. Nicht einmal für die Flitterwochen, sollte es solche gegeben haben. Denn kaum im Amt, spalteten sich die Anhänger von...

Hochgefährliche Nachsicht

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne” – so beginnt ein Gedicht von Hermann Hesse. Für die neue italienische Regierung gilt das nicht. Nicht einmal für die Flitterwochen, sollte es solche gegeben haben. Denn kaum im Amt, spalteten sich die Anhänger von Expremierminister Matteo Renzi von der sozialdemokratischen PD ab. Und seither streiten sich die mittlerweile vier Koalitionspartner wie die Bürstenbinder, weil sich vor allem Renzi profilieren muss.Der Haushalt, den Rom jetzt nach Brüssel übermittelt hat, spiegelt das wider. Es ist ein Flickwerk von Maßnahmen, in dem jede Partei ein bisschen etwas für sich findet. Einzige Klammer war die gemeinsame Ablehnung einer Mehrwertsteuererhöhung. Für anderes ist kein Geld da, weil damit 23 Mrd. Euro in der Staatskasse fehlen. Der parteilose Premierminister Giuseppe Conte versucht, den Kampf gegen die Steuerhinterziehung als Programm zu verkaufen, aber auch da sind die Koalitionspartner nicht auf einer Linie. Außerdem haben das schon andere Regierungen versucht und sind gescheitert.Diese Regierung wird allein zusammengehalten von der Furcht vor Neuwahlen. Denn diese würden wohl den Rechtspopulisten Matteo Salvini an die Macht bringen. Das fürchten nicht nur die Koalitionsparteien. Das fürchtet auch die EU-Kommission, die mit Brexit, störrischen Osteuropäern und abflauender Konjunktur schon genug andere Probleme hat.Es ist deshalb schon jetzt abzusehen, dass Brüssel erneut mehr als ein Auge zudrücken wird gegenüber Italien, obwohl das Defizit wieder nicht schrumpft und der noch entscheidendere strukturelle Fehlbetrag sogar wächst. Die EU wird auch zweifelhafte Luftbuchungen wie die angepeilten 7 Mrd. Euro aus dem Kampf gegen die Steuerflucht akzeptieren, die Verschiebung von Fristen zur Zahlung von Steuern auf das Folgejahr, um die Einnahmen zu schönen, oder die extrem niedrig kalkulierten Refinanzierungskosten für den Staat.Das mag auf den ersten Blick verständlich sein. Doch es ist hochgefährlich. Denn die Ergebnisse der bisherigen Nachsichtigkeit sind alles andere als ermutigend. Brüssel hat sich in der Vergangenheit gegenüber Rom als sehr großzügig und flexibel gezeigt. Doch was hat es genutzt? Das Defizit blieb hoch, die Schulden stiegen immer weiter, und die Niedrigzinsphase wurde nicht für die dringend nötigen Strukturreformen genutzt, etwa in der Verwaltung oder bei der Justiz. Und der Aufstieg Salvinis wurde nur vorübergehend unterbrochen.