Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Hohes Tempo bei Entflechtung vom russischen Markt

Russland verliert als Handelspartner für die deutsche Wirtschaft dramatisch an Bedeutung. Im ersten Halbjahr 2023 brachen die Einfuhren um 89% ein. Die Exporte gingen um 40,5% zurück. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft sieht eine Entflechtung in einem hohen Tempo.

Hohes Tempo bei Entflechtung vom russischen Markt

Hohes Tempo bei Entflechtung vom russischen Markt

Handelsvolumen bricht immer weiter ein – Ost-Ausschuss sieht keine Sanktionsumgehungen im großen Stil

ahe Berlin

Russland verliert nach Angaben des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft als Handelspartner dramatisch an Bedeutung. Im ersten Halbjahr 2023 nahm das Land in der Liste des deutschen Außenhandels nur noch Platz 36 ein – vor einem Jahr lag es noch auf Platz 14. Die Importe brachen um 89% ein. Auch die Exporte gingen um 40,5% zurück. "Die Entflechtung vom russischen Markt verläuft in hohem Tempo", sagte Cathrina Claas-Mühlhäuser, die neue Ost-Ausschuss-Vorsitzende, am Dienstag in Berlin.

Sie warnte zugleich davor, Unternehmen zu diskriminieren, die in nicht sanktionierten Bereichen weiterhin Geschäfte mit Russland machten. Die vollständige Einstellung aller Geschäftsaktivitäten sei nicht das Ziel der EU-Sanktionen, betonte Claas-Mühlhäuser, die sich daher auch dagegen aussprach, alle Zahlungskanäle nach Russland zu schließen. Hinzu komme, dass die Regierung in Moskau den Rückzug ausländischer Unternehmen immer mehr erschwere, sagte sie. Viele Unternehmen seien auch an "vertragliche Verpflichtungen" gebunden und könnten nicht einfach den Markt verlassen, ohne sich und ihre lokalen Mitarbeiter strafbar zu machen. Trotz des Einbruchs im Russland-Geschäft zeigen sich die deutschen Exporte in die 29 Länder Mittel- und Osteuropas sowie Zentralasiens robust. In den Monaten Januar bis Juli legten die Ausfuhren in diese Region insgesamt um 1,8% auf jetzt 161 Mrd. Euro zu.

"Tiefgreifende Neuordnung"

Der deutsche Außenhandel insgesamt verbuchte bei den Exporten zeitgleich allerdings ein Plus von 2,7%. Die Importe aus Osteuropa sanken zugleich um 7,1% – was nicht nur an Russland lag, sondern auch an deutlichen Rückgängen der Einfuhren aus Turkmenistan (minus 85%), Aserbaidschan (minus 70%), Belarus (minus 51%) oder auch Kirgisistan (minus 24%). "Wir beobachten eine tiefgreifende Neuordnung unserer Wirtschaftsbeziehungen mit und in der Region", sagte die Ost-Ausschuss-Vorsitzende.

Eine Umgehung der Russland-Sanktionen im großen Stil durch deutsche Unternehmen kann der Ost-Ausschuss nicht erkennen, auch wenn die Exporte in die Zentralkaukasus-Länder und Belarus deutlich gestiegen sind. Claas-Mühlhäuser verwies darauf, dass dieser Anstieg insgesamt nur ein Volumen von 2,5 Mrd. Euro ausmache, die Länder durch die Emigranten aus Russland aktuell einen positiven konjunkturellen Effekt verbuchten und sich deutsche Unternehmen auch neue Märkte als Alternative zum russischen Markt suchten. Die Länder Zentralasiens und des Südkaukasus gewännen als Ziel deutscher Exporte deshalb auch an Bedeutung. "Vorschnelle Verurteilungen oder gar pauschale Sanktionen gegen Drittländer halten wir für nicht zielführend", hieß es.

Claas-Mühlhäuser forderte in diesem Zusammenhang allerdings, sich bei den immer kleinteiliger werdenden Russland-Sanktionen stärker auf kriegswichtige Güter zu konzentrieren. Zum anderen sollte ihrer Ansicht nach das Personal bei Zoll und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) aufgestockt werden, um die Umsetzung der Sanktionen zu kontrollieren.

Wiederaufbau der Ukraine

Zu den Prioritäten des im Juni gewählten neuen Vorstands des Ost-Ausschusses gehört der Wiederaufbau der Ukraine. Die deutschen Exporte in die Ukraine waren in den ersten sieben Monaten 2023 um 52% gestiegen, die Importe allerdings um 6,5% geschrumpft. Claas-Mühlhäuser verwies darauf, dass einige deutsche Unternehmen bereits einige konkrete Neuinvestitionen in dem Land planten, etwa in Windkraftanlagen, die Saatgutproduktion und die Baustoffindustrie.

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