Ifo-Geschäftsklima

Ifo-Geschäfts­erwartungen stürzen ab

Die aktuellen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine schätzen deutsche Unternehmen noch als recht gering ein. Doch die Aussichten für die kommenden Monate sind düster.

Ifo-Geschäfts­erwartungen stürzen ab

ba Frankfurt

Die Sorgen um die Folgen des Ukraine-Krieges sind in der deutschen Wirtschaft angekommen: Die aktuellen Auswirkungen werden zwar noch als recht gering eingeschätzt, doch gerade mit Blick auf die steigenden Energiepreise und den sich wieder verschärfenden Lieferkettenstress werden die Aussichten äußerst kritisch beurteilt. Die weitere Konjunkturerholung von den Coronafolgen ist damit erst einmal gestoppt. Ein Abrutschen des Bruttoinlandprodukts (BIP) im zweiten Quartal erscheint Ökonomen immer wahrscheinlicher, und zuletzt wurden reihenweise die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr gesenkt. In der anstehenden Woche legen auch die sogenannten Wirtschaftsweisen ihre aktualisierte Konjunkturprognose vor.

Das Ifo-Geschäftsklima ist im März stärker als erwartet eingebrochen – um 7,7 auf 90,8 Punkte (siehe Grafik). Niedriger stand das wichtigste Frühbarometer für die hiesige Wirtschaft zuletzt im Juli 2020 – mit 89,7 Punkten. Ökonomen hatten nach zwei Anstiegen zwar einen Rückgang erwartet, allerdings nur auf einen Wert von 94,2 Zählern. „Die Unternehmen in Deutschland rechnen mit harten Zeiten“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9000 Managern.

Dass die Indikatoren für die aktuelle Lage und die Erwartungen für die kommenden sechs Monate zwar beide nachgeben, dabei aber auseinanderlaufen, überrascht Ökonomen nicht. „Effektiv ist vielleicht noch gar nicht viel passiert, aber kriegsbedingt ist die Unsicherheit sehr groß“, urteilt etwa LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Der Lage-Indikator habe sich trotz des Rückgangs um 1,6 auf 97,0 Punkte recht stabil gehalten, so der Tenor in den Analystenkommentaren. Für die Erwartungskomponente meldete das Ifo-Institut allerdings einen „historischen Einbruch“ von 13,3 auf 85,1 Zähler, der sogar noch das Minus von 11,8 Punkten im März 2020 zu Beginn der Coronakrise toppt.

Logistik mit drei Problemen

Der Stimmungseinbruch zog sich quer durch sämtliche Bereiche, am stärksten zeigte er sich aber in der Industrie, im Handel und am Bau. Die Dienstleister profitieren hingegen von den Lockerungen der coronabedingten Restriktionen. Im verarbeitenden Gewerbe sank das Geschäftsklima so stark wie noch nie. Die Erwartungen der Unternehmen schlugen Fuest zufolge „von Optimismus in einen deutlichen Pessimismus um“, der Geschäftsausblick werde nun als extrem unsicher bewertet. Ifo-Experte Klaus Wohlrabe berichtet im Reuters-Interview, dass sich die Lieferkettenprobleme verschärft hätten und die Preiserwartungen anzogen. „Zwei Drittel der Industriebetriebe wollen ihre Preise anheben, so viele wie noch nie“, sagte Wohlrabe. In der Folge wollen auch die Einzelhändler nachziehen. „Das ist ein Dominoeffekt.“

Besonders düster werden die Aussichten derzeit aber von der Logistikbranche bewertet. „Sie leidet gleich unter drei großen Problemen“, sagte Wohlrabe. „Ihr machen fehlende Fahrer, hohe Dieselpreise und die Lieferkettenprobleme in der Indus­trie zu schaffen.“ Im Dienstleistungssektor insgesamt hat sich das Geschäftsklima wegen des deutlichen Rückgangs der Erwartungen merklich verschlechtert – ungeachtet der gelockerten Pandemiebeschränkungen und des wärmeren Wetters.

Auch im Handel ist das Geschäftsklima eingebrochen, da der Erwartungsindikator so stark wie nie zuvor abstürzte. Zudem leiden auch die Verbraucher unter den hohen Energie- und Spritpreisen. Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe, sieht hier einen „Kaufkraftentzug unterwegs, der noch nicht von allen erkannt ist und weder mit weniger Sparen noch durch staatliche Entlastungen nennenswert aufgefangen werden wird“. Im Bauhauptgewerbe ist weiter eine Mehrheit der Betriebe zufrieden mit den laufenden Geschäften, wohingegen sich Klima und Erwartungen verschlechtert haben. Martin Moryson, DWS-Chefvolkswirt Europa, sieht bei Handel und Bau einen gewissen Rückenwind: „Da gibt es den Nachholaufschwung infolge des absehbaren Endes der Omikronwelle auf der Dienstleistungsseite und einen generell starken Nachholbedarf im Baugewerbe, sei es der Wohnungsbau oder die Infrastruktur.“

Einig sind sich Ökonomen, dass neben der Frage der russischen Öl- und Gaslieferungen schon allein die Unsicherheit wegen des Kriegs die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten dämpfen wird. Für Dekabank-Ökonom An­dreas Scheuerle stellt sich die Frage, wie weit das deutsche Geschäftsmodell in der Zukunft noch trägt, da „eine einseitige Abhängigkeit von Lieferländern, aber auch Abnehmerländern schneller, als man es noch vor einiger Zeit sich ausmalen konnte, zu einer Belastung werden“ könne.

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