Konjunktur

Ifo-Geschäftsklima sendet Rezessionssignal für deutsche Wirtschaft

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Juli deutlich eingetrübt. Der dritte Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindex signalisiert traditionell eine Trendwende, ein Schrumpfen der Wirtschaft im zweiten Halbjahr wird immer wahrscheinlicher.

Ifo-Geschäftsklima sendet Rezessionssignal für deutsche Wirtschaft

Ifo-Barometer sendet Rezessionssignal

Geschäftsklimaindex sinkt dritten Monat in Folge – Vor allem die Lage wird schwächer bewertet

ba Frankfurt

Der erneute Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas im Juli gibt den Konjunkturpessimisten neue Nahrung: Dass insbesondere die aktuelle Lage schlechter beurteilt wurde, werten Ökonomen als schlechtes Vorzeichen für das eben begonnene dritte Quartal. So sei die deutsche Wirtschaft gefangen zwischen Rezession und Stagnation, allenfalls einer schwachen Erholung – und damit eine Belastung für die gesamte Euro-Wirtschaft. Zudem werden sich erst allmählich die Folgen des beispiellosen Zinserhöhungskurses der Europäischen Zentralbank (EZB), aber auch der anderen großen Notenbanken weltweit, in der Breite der Realwirtschaft zeigen. An diesem Mittwoch und Donnerstag werden Fed und EZB wohl jeweils mit weiteren 25 Basispunkten nachlegen.

Trendwende

Das wichtigste Frühbarometer für die hiesige Wirtschaft ist im Juli auf 87,3 Punkte gefallen, nach revidiert 88,6 (zuvor 88,5) Zählern im Juni. Ökonomen hatten den dritten Rückgang in Folge erwartet, den neuen Indexstand mit 88,0 Punkten aber etwas höher eingeschätzt. Zuvor hatten bereits andere umfragebasierte Indikatoren wie der Einkaufsmanagerindex oder die von Sentix und dem ZEW erhobenen Konjunkturerwartungen gezeigt, wie trübe die Stimmung derzeit ist, und damit die Rezessionssorgen weiter angefacht.

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„Die Lage der deutschen Wirtschaft verdüstert sich“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9.000 Unternehmen. Die Betriebe waren vor allem mit den laufenden Geschäften merklich unzufriedener, aber auch die Erwartungen gaben erneut nach. Den Rückgang der Lagekomponente werten Ökonomen als Zeichen, dass die Auftragspolster zunehmend dünner werden. Die geringeren Erwartungen hingegen deuteten auf eine anhaltende Investitionsschwäche hin, die mit Verzögerung auch auf den Jobmarkt ausstrahlen könnte.

Der dritte Rückgang des Ifo-Index gilt in der Regel als Rezessionssignal − Deutschland droht eine Sommerrezession, mahnen daher die Münchener Wirtschaftsforscher: Nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Frühjahr in etwa stagniert haben dürfte, werde es im laufenden dritten Quartal voraussichtlich sinken, erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview: „Die Schwächephase der deutschen Wirtschaft geht in die Verlängerung.“ Im Winterhalbjahr war die Wirtschaft mit den beiden Minusquartalen von −0,5% und −0,3% in Folge in die sogenannte technische Rezession gerutscht. Die Bundesbank zeigte sich in ihrem jüngsten Monatsbericht etwas zuversichtlicher und erwartet für das Frühjahr ein leichtes Wirtschaftswachstum. An diesem Freitag veröffentlicht das Statistische Bundesamt (Destatis) eine erste Schnellmeldung zur Entwicklung im zweiten Quartal, am Montag folgt Eurostat mit den Ergebnissen für die Euro-Wirtschaft.

Industrie belastet

Als einen Grund für die Misere benennt Wohlrabe die anhaltende Schwäche der Industrie. „Die Unternehmen können zwar die bestehenden Aufträge besser abarbeiten, weil die Lieferengpässe kontinuierlich zurückgehen, aber es kommen weniger neue Aufträge nach.“ Die Neubestellungen zeigten sich bereits im gesamten Jahr 2022 schwach, und das unerwartete Orderplus vom Mai wurde von den volatilen Großaufträgen getrieben. Angesichts der globalen Nachfrageschwäche erwarten Ökonomen daher keinen nachhaltigen Trendwechsel bei den Bestellungen. Das Geschäftsklima in der Industrie gab vor allem wegen der deutlich schlechteren Bewertungen der aktuellen Lage weiter nach. Laut Ifo sank die Kapazitätsauslastung um 1,4 Prozentpunkte auf 83,0% und liegt damit erstmals seit mehr als zwei Jahren unter ihrem langfristigen Mittelwert von 83,6%. Lichtblicke gebe es in der Industrie kaum, mahnt Ifo-Experte Wohlrabe. Mittlerweile schwächelten auch der Maschinenbau und die Elektrotechnikbranche, die Chemieindustrie schon länger. Auch die Auslandsnachfrage sei eher mau. „Von der Exportseite ist kein Schwung zu erwarten“, sagte Wohlrabe. Denn die US-Wirtschaft läuft ebenfalls unrund und die erhofften Impulse nach der abrupten Abkehr Chinas von der strikten Null-Covid-Politik fielen schwächer und weniger nachhaltig aus als erwartet. Wegen der Schwäche der Industrieproduktion und dem BIP-Rückgang im ersten Quartal hat der Internationale Währungsfonds seine Prognose für Deutschland um 0,2 Prozentpunkte auf –0,3% für dieses Jahr gesenkt.

Baubranche darbt

Besonders schlecht sieht es Wohlrabe zufolge in der Baubranche aus, die unter den hohen Energie- und Materialkosten sowie den erschwerten Finanzierungsbedingungen leidet: „Dort ist das Geschäftsklima so schlecht wie seit Februar 2010 nicht mehr.“ Im Mai hat das Bauhauptgewerbe zwar inflationsbereinigt (real) 3,5% mehr Aufträge eingesammelt als im Vormonat. In den ersten fünf Monaten diesen Jahres allerdings gaben die Aufträge real um 15,2% im Jahresvergleich nach während die Umsätze um 7,3% sanken.

Im Dienstleistungssektor hat der Geschäftsklimaindex ebenfalls nachgegeben, das Bild fällt Wohlrabe zufolge gemischt aus: Der IT-Bereich laufe nach wie vor gut, auch der Tourismus. Schlechter sehe es hingegen etwa für die Transport- und Logistikbranche aus, die am Tropf der Industrie hänge. Auch im Handel ist das Barometer gesunken – hier zeigt sich die Konsumzurückhaltung der Verbraucher, denen es mit der anhaltend hohen Inflation an Kaufkraft fehlt.

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