Ifo-Geschäftsklima weiter im Sinkflug
Ifo-Geschäftsklima weiter im Sinkflug
Durststrecke verlängert sich – Wachstumsminus für zweites Halbjahr wird wahrscheinlicher
ast Frankfurt
Das Ifo-Geschäftsklima sinkt ein weiteres Mal. Pessimistisch sind die Unternehmen insbesondere in der Industrie. Angesichts der mauen Auftragslage sind auch die Erwartungen düster. Und auch sonst gibt es kaum Lichtblicke. Ökonomen erwarten für das zweite Halbjahr eine erneute Rezession.
Eine Rezession der deutschen Wirtschaft im zweiten Halbjahr ist noch einmal wahrscheinlicher geworden. Wie das Münchner Ifo-Institut mitteilte, hat sich die Stimmung in den deutschen Chefetagen im August abermals verschlechtert. So sank das wichtigste Frühbarometer für die hiesige Wirtschaft, das Ifo-Geschäftsklima, im August auf 85,7 Punkte von 87,4 Zählern. Es ist nicht nur der vierte Rückgang in Folge, sondern auch ein deutlicherer Rücksetzer als Ökonomen erwartet hatten. Für Beobachter sind die schwachen Erwartungen der letzten Monate in der Realität angekommen.
"Die Durststrecke der deutschen Wirtschaft verlängert sich", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Freitag bei der Vorstellung der monatlichen Umfrage unter 9.000 Führungskräften. Nicht nur die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage fiel noch einmal schwächer aus als im Vormonat. Die Firmen beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage sogar so schlecht wie seit August 2020 nicht mehr, als Deutschland konjunkturell schwer mit der Corona-Krise zu kämpfen hatte. Auch die Erwartungen der Unternehmen zur Geschäftslage in den kommenden Monaten gab weiter nach. Zuvor hatten bereits andere umfragebasierte Indikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes oder die von Sentix und dem ZEW erhobenen Konjunkturerwartungen gezeigt, wie schlecht die Stimmung derzeit ist, und damit die Rezessionssorgen weiter angefacht.
"Der deutsche Konjunkturmotor stottert weiter stark", sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters angesichts des erneuten Rückgangs des Geschäftsklimaindex. Bei den Erwartungen gebe es noch keine Wende. "Der Pessimismus hat weiter zugenommen." Bei einem Blick auf die Kernbranchen Maschinenbau, Chemie und Automobilindustrie sei nirgendwo ein Lichtblick zu sehen. Zwar entspanne sich die Angebotslage weiter – so hatte zuletzt der Materialmangel weiter nachgelassen – doch gerade auf der Nachfrageseite zeigt der Trend deutlich nach unten. Insbesondere Industriebetriebe klagten über immer weniger Neuaufträge.
"Tritt in die Magengrube"
Pessimistisch zeigten sich auch Ökonomen. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sieht den Index als "klares Rezessionssignal". Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank analysiert: "Der neuerliche Fall des Ifo-Geschäftsklimaindex kommt einem Tritt in die Magengrube gleich. Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Besserung werden weiter in die Zukunft verschoben." Der Auftragsüberhang, den Unternehmen während der Pandemie aufgebaut hatten, sei aufgebraucht. "Damit dürfte die Industrieproduktion weiter unter die Räder kommen." Darauf deuteten auch die Einkaufsmanagerindizes hin. Die Industrie schwächelte nicht bloß, sondern zog im August auch den Servicesektor ins Schrumpfungsterrain.
"Die Entwicklung beim Ifo-Index bekräftigt, dass sich Deutschland mitten in einer konjunkturellen Abwärtsspirale befindet", analysierte Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann. Ein Ende dieser Abwärtsentwicklung sei zudem nicht in Sicht. "Vielmehr beginnen sich die restriktiven Impulse der Geldpolitik gerade erst zu entfalten." Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen zur Bekämpfung der sehr hohen Inflation stark angehoben – auf zuletzt 4,25%. Die nun schwächelnden Ifo-Geschäftserwartungen sind für Bantleon-Experte Hartmann nur der Anfang: "Die vielfältigen Hiobsbotschaften aus dem Bausektor – allen voran die steigenden Insolvenzzahlen bei den Bauträgern – dürften nur ein Vorspiel dessen sein, was noch in anderen Branchen auf die Wirtschaft zukommt."
Die Debatte über Deutschlands Rolle für die Entwicklung der Wirtschaft im gemeinsamen Währungsraum, die schon in den vergangenen Wochen an Fahrt aufgenommen hatte, dürfte damit neuen Stoff erhalten. Carsten Brzeski, Global Head of Macro bei der ING, etwa schreibt als Reaktion auf die Ifo-Daten: "In der Tat ähneln die aktuelle wirtschaftliche Situation und die öffentliche Debatte derjenigen von vor 20 Jahren." Damals hatte ein Artikel im "The Economist" im Jahr 1999 für einen Aufschrei gesorgt und gipfelte schlussendlich in den unter SPD-Kanzlerschaft beschlossenen Strukturreformen. Allerdings gibt es Brzeski zufolge einen großen Unterschied: Während Deutschland um die Jahrtausendwende rekordhohe Arbeitslosenzahlen zählte, zeigte sich der Jobmarkt während der Coronavirus-Pandemie und auch seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs robust.
Die Konjunktur allerdings dürfte weiter schwächeln. Die Wirtschaft war schon im Winterhalbjahr geschrumpft und hatte im Frühjahr nur stagniert. Die Bundesbank erwartet, dass sie im Sommerquartal auf der Stelle treten dürfte. Viele Fachleute erwarten sogar für das Gesamtjahr 2023 ein Minus, die Förderbank KfW etwa rechnet mit –0,4%.