Ifo-Geschäftsklimaindex springt kräftig nach oben

Stärkster je gemessener Anstieg - Aktuelle Lage hellt sich erstmals seit Ausbruch des Coronavirus auf

Ifo-Geschäftsklimaindex springt kräftig nach oben

ba Frankfurt – Zum Ende des zweiten Quartals kehren die Lebensgeister in die deutsche Wirtschaft zurück. Angesichts der bisherigen Lockerungsschritte hat sich die Stimmung in den Chefetagen im Juni erheblich aufgehellt. So ist der Ifo-Geschäftsklimaindex im Monatsvergleich um 6,5 auf 86,2 Punkte geklettert und hat damit die Erwartungen von 85,0 Zählern übertroffen. “Dies ist der stärkste jemals gemessene Anstieg”, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Zudem ist es das zweite Plus, nachdem das wichtigste Frühbarometer für die hiesige Wirtschaftsentwicklung im März und April kräftig eingekracht war – bis auf ein historisches Tief von 74,3 Punkten.Damit steht das Geschäftsklima auch im Einklang mit anderen Stimmungsindikatoren für Juni wie dem Einkaufsmanagerindex, der um 13,5 auf 45,8 Punkte zugelegt hat (vgl. BZ vom 24. Juni). Ökonomen warnen aber vor allzu großer Euphorie angesichts steigender Konjunkturindikatoren: Eine zweite Infektionswelle mit einem erneuten Lockdown könnte die für das zweite Halbjahr erwartete Erholung zunichtemachen.”Die deutsche Wirtschaft sieht Licht am Ende des Tunnels”, schließt der Institutschef Fuest aus dem Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9 000 Unternehmen. Die Erholung erfolgte diesmal auf breiter Basis: Nicht nur haben die Erwartungen einen Sprung nach oben gemacht, erstmals seit dem Ausbruch des Coronavirus haben die Unternehmen auch die aktuelle Lage besser als im Vormonat beurteilt. Optimismus fehlt nochMerklich zugelegt hat dem Ifo-Institut zufolge das Geschäftsklima im verarbeitenden Gewerbe. Dies liegt vor allem daran, dass die Erwartungen der Industriebetriebe so kräftig gestiegen sind wie nie. Allerdings seien diese “nur weniger pessimistisch und noch nicht optimistisch”, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. Immerhin seien die Exporterwartungen deutlich gestiegen. “Die Unternehmen hoffen, dass die Öffnung bei vielen Handelspartnern das Exportgeschäft beleben wird.” China etwa sei schon wieder auf einem normalen Niveau. Die Lage in der Industrie hingegen sei “immer noch sehr schlecht – besonders in den Kernbereichen Maschinenbau, Auto, Chemie und Elektrotechnik”, sagte Wohlrabe.Nach wie vor schlecht gehe es Hotels und Gaststätten. “Sie profitieren noch nicht sehr stark vom Ende des Lockdowns”, sagte Wohlrabe. “Die Leute gehen auch noch nicht Autos kaufen. Der Kfz-Einzelhandel ist noch immer unzufrieden.” Besser liefen die Geschäfte mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen und Elektrotechnik. “Hier ist die Kauflaune deutlich besser.” Im Handel insgesamt hat sich das Geschäftsklima im Juni erneut merklich aufgehellt, wozu sowohl die Lage- als auch die Erwartungskomponente beigetragen haben. Trotzdem erwarten laut Ifo-Institut viele Händler weiterhin eine schlechte Geschäftsentwicklung.Bei den Dienstleistern, dem neben dem Einzelhandel am stärksten vom Lockdown betroffenen Sektor, ging es ebenfalls ein weiteres Mal steil nach oben. Insbesondere habe der Pessimismus mit Blick auf das kommende halbe Jahr deutlich abgenommen, heißt es beim Ifo. Auch im Bau legte das Geschäftsklima wieder zu.Wenngleich der Anstieg des Ifo-Barometers einen kräftigen V-förmigen Aufschwung nahelege, mahnt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zur Vorsicht: Die starke Erholung sei eine reflexartige Reaktion auf die beispiellosen Einbrüche im März und April infolge des Lockdowns. Die Aufwärtsbewegung dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte verlangsamen. Ein Wurzelzeichen sei daher die bessere Beschreibung des Konjunkturbilds. Dafür sprächen etwa auch die Probleme am Arbeitsmarkt: Bis zu 13 Millionen Menschen seien hierzulande von Kurzarbeit betroffen, die Zahl der Arbeitslosen dürfte am Jahresende um eine Million höher sein als vor der Krise. “Das verunsichert die Konsumenten und verhindert eine fortgesetzt schnelle wirtschaftlichen Erholung”, sagte Krämer. Hinzu komme, dass sich viele Unternehmen wegen der coronabedingten Umsatzausfälle massiv verschulden müssten. “Während sie die Schulden zurückzahlen, werden sie sich beim Investieren und Konsumieren zurückhalten.”Auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, sieht keine überschwängliche Freude aufkommen: “Der Stachel sitzt tief.” Der erste Schock sei zwar überwunden, doch das wirtschaftliche Schleudertrauma mache sich jetzt richtig bemerkbar: “Die deutsche Volkswirtschaft wird an den Folgen der Pandemie noch längere Zeit leiden. Bis sich die konjunkturellen Wunden schließen, können noch Jahre ins Land gehen.”Die Wirtschaftsweisen etwa prognostizieren, dass das Niveau vor der Corona-Pandemie frühestens 2022 erreicht werden kann (vgl. BZ vom 24. Juni). Ab Sommer werde die Erholung einsetzen, das reale Bruttoinlandsprodukt im Gesamtjahr 2020 allerdings um 6,5 % schrumpfen, erwarten die fünf Ökonomen. Für 2021 erwarten sie ein Plus von 4,9 %. Der IWF hat gestern seine Prognose für Deutschland auf -7,8 (zuvor: -7,0) % für 2020 und auf +5,4 (5,2) % für 2021 nachjustiert (siehe Bericht auf dieser Seite).