Ifo-Index schürt Konjunktursorgen

97,4 Punkte im Juni markieren den niedrigsten Stand seit Ende 2014 - Baldige EZB-Lockerung erwartet

Ifo-Index schürt Konjunktursorgen

Nach einem überraschend starken Auftaktquartal 2019 steckt die deutsche Wirtschaft in Schwierigkeiten. Vor allem in der Industrie sieht es düster aus. Grund sind nicht zuletzt die Handelskonflikte. Deutschland belastet auch die Euro-Wirtschaft. Das könnte schon bald die EZB auf den Plan rufen.arp/ms Frankfurt – Die deutsche Wirtschaft ist weiter unter Druck. Die Handelsstreitigkeiten, das Risiko eines harten Brexit wie auch globale Unsicherheiten lasten schwer auf der exportabhängigen Wirtschaft. Dies schlägt sich im Ifo-Geschäftsklimaindex nieder. Der viel beachtete Indikator sank im Juni zum dritten Mal in Folge auf jetzt 97,4 Punkte – was den niedrigsten Stand seit November 2014 markierte. “Die deutsche Konjunktur flaut weiter ab”, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Trübe AussichtenEs sind vor allem die Geschäftserwartungen in den kommenden sechs Monaten, die den Index drückten. Hier ging der Subindex deutlich von 95,2 Punkten im Mai auf nun 94,2 Zähler zurück. Hingegen schätzten die rund 9 000 befragten Führungskräfte die aktuelle Lage minimal besser ein als noch einen Monat zuvor. Der entsprechende Teilindex legte auf 100,7 von 100,8 Zählern zu.Die neuen Daten dürften die Sorgen um die deutsche Wirtschaft noch einmal verstärken. Nach einem überraschend starken Auftaktquartal 2019 könnte die Wirtschaftsleistung im Frühjahr sogar geschrumpft sein – was Rezessionsängste wie im Jahr 2018 zurückbringen könnte. Als größte Volkswirtschaft belastet Deutschland auch die Eurozone.Die um sich greifende pessimistische Stimmung in Deutschland erstreckt sich über fast alle vom Ifo beobachteten Branchen. Besonders ausgeprägt ist sie aber in der stark von Export abhängigen Industrie, wo der Geschäftsklimaindex von 3,9 Saldenpunkten im Mai auf 1,5 Saldenpunkte im Juni zurückging. “Der Lageindex liegt zwar immer noch über seinem langfristigen Mittelwert, sinkt nun aber seit mehr als einem Jahr”, so Fuest. Er verzeichnet auch einen zunehmenden Pessimismus, nachdem der Lichtblick bei den Erwartungen aus dem Vormonat verschwunden sei. “Dies ist vor allem einem sinkenden Auftragsbestand geschuldet”, so Fuest.Auch im Dienstleistungssektor habe sich das Geschäftsklima verschlechtert, weil der Optimismus in den Erwartungen geschwunden ist, so das Münchener Forschungsinstitut. Der entsprechende Branchensektor sank um 1 Zähler auf jetzt 20,0 Punkte. Im Trend liegt auch das Bauhauptgewerbe, wo der Index dank früherer Anstiege immer noch auf einem höhen Niveau liegt: Hier gab das Geschäftsklima von 24,3 auf 22,9 Saldenpunkte nach, was sowohl einer schlechteren Einschätzung der aktuellen Lage wie auch geringeren Erwartungen für die kommenden Monate geschuldet ist.Einzig im Handel stieg das Geschäftsklima auf 7,9 (Mai: 5,4) Saldenpunkte. Nicht nur, dass die Firmen die gegenwärtige Lage besser einschätzen als im Vormonat, sie sehen auch optimistischer in die Zukunft. Dabei kletterte im Großhandel vor allem der Erwartungsindex, im Einzelhandel der Lageindikator. “Tatsächlich ist die deutsche Volkswirtschaft derzeit nicht auf Rosen gebettet”, so Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank Gruppe. Zwar sei der Datenkranz für das zweite Quartal noch nicht vollständig, doch zum heutigen Stand könne ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft in den drei Monaten zwischen April und Juni nicht ausgeschlossen werden. Diese Meinung teilt Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. Gleichwohl geht Wohlrabe nicht von einer Rezession aus, die einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen erfordert. Debatte über EZB-Politik”Die zahlreichen Belastungsfaktoren vom internationalen Handelsstreit über den Brexit und Italien hin zur allgemeinen globalen Abschwächung lassen die Unternehmen kritisch in die Zukunft schauen”, sagte Christian Melzer von der DekaBank. Für ihn ist “der deutliche Rückgang der Geschäftserwartungen bei den Dienstleistungsunternehmen im Juni nur ein erster Vorgeschmack”, wie Ansteckungseffekte auch in bislang soliden Sektoren wie Handel, Bauwirtschaft und Dienstleistung aussehen. Diese würden umso wahrscheinlicher werden, je länger die Probleme im verarbeitenden Gewerbe anhielten. Es war in Zeiten historisch tiefer Arbeitslosigkeit insbesondere der private Konsum, der die deutsche Konjunktur stützte, die in den ersten drei Monaten dieses Jahres noch um 0,4 % zugelegt hatte.Der erneute Rückgang im Juni dürfte auch die Konjunktursorgen in der Europäischen Zentralbank (EZB) befeuern und die Debatte über eine erneute Lockerung verstärken. EZB-Chef Mario Draghi hatte vergangene Woche die Hürde für weitere Maßnahmen niedrig gelegt, als er sagte, dass “ohne Besserung” des Ausblicks für Wachstum und Inflation weitere Stimuli “nötig” sein. Vielen Euro-Hütern dürfte auch nicht schmecken, dass der Euro trotz der EZB-Signale aufwertet – weil die US-Notenbank Zinssenkungen avisiert hat.Volkswirte erwarten nun eine geldpolitische Lockerung der EZB bis Ende September. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters. Demnach rechnen 44 der 45 befragten Ökonomen mit einer Lockerung. Davon sagten mehr als 80 % entweder eine weitere Senkung des Einlagensatzes voraus oder eine Änderung des Zinsausblicks.