Ifo signalisiert Trendwende

Geschäftsklima steigt dritten Monat in Folge - Exporterwartungen aufgehellt - Nachholbedarf der Industrie

Ifo signalisiert Trendwende

Zum Beginn des dritten Quartals blicken deutsche Unternehmen erneut zuversichtlicher in die Zukunft. Auch die aktuelle Lage wird besser eingeschätzt. Der dritte aufeinanderfolgende Anstieg des Ifo-Geschäftsklimas signalisiert eine Trendwende zum Besseren – einfach wird die Erholung dennoch nicht.ba Frankfurt – Die deutschen Unternehmen präsentieren sich zu Beginn des dritten Quartals trotz anhaltender Sorgen über eine zweite Corona-Infektionswelle gut gelaunt. Den dritten Anstieg des Ifo-Geschäftsklimas – des wichtigsten Frühindikators für die konjunkturelle Entwicklung – werten Ökonomen als Signal für eine Trendwende, warnen allerdings zugleich vor zu großer Euphorie: Der Weg zum Vorkrisenniveau bleibe schwierig und gerade für eine Exportnation wie Deutschland sei die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie entscheidend.Das “Tal der Tränen” hätten die deutschen Exporteure aber bereits verlassen, berichtet Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview: Die Exporterwartungen hätten leicht zugelegt, in vielen Ländern gehe es aufwärts und “China floriert ohne Ende”. Nachdenklich stimmen den Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, allerdings “die härteren Maßnahmen etwa in der Schweiz, Österreich und Frankreich, wo die Öffnung teilweise zurückgenommen wird”. Wirklich besorgniserregend, so sagte er dem “Handelsblatt”, sei aber die Entwicklung in den USA, wo der Kongress angesichts einer Welle von Neuinfektionen gerade ein neues Corona-Hilfspaket schnürt. Die Folgen der Coronakrise in den USA könnten auf die Exportwirtschaft durchschlagen, weshalb er “weiter zur Vorsicht bei Konjunkturprognosen” rate. Historischer EinbruchÖkonomen gehen davon aus, dass sich die Wirtschaft im zweiten Halbjahr von den Auswirkungen der Corona-Pandemie erholt – nachdem es im zweiten Quartal kräftig bergab ging. Nach einem Minus von 2,2 % im Quartalsvergleich zum Jahresstart wird für das Frühjahrsquartal ein Einbruch im knapp zweistelligen Prozentbereich erwartet – eine erste Schnellschätzung wird das Statistische Bundesamt am Donnerstag veröffentlichen. Für das dritte Quartal wird dann eine kräftige Gegenbewegung prognostiziert, beim Münchener Ifo-Institut etwa sind es + 6,9 %. Neben den aktuellen Konjunkturdaten stützt auch der gestern veröffentlichte Bundesbank-Monatsbericht Juli die Aufschwungshoffnung: “Im zweiten Halbjahr dürfte sich die wirtschaftliche Erholung fortsetzen. Dazu wird auch das zuletzt beschlossene Konjunkturpaket beitragen.” Für das zweite Quartal allerdings zeichne sich “der stärkste Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts seit Beginn der vom Statistischen Bundesamt für den Zeitraum ab dem Jahr 1970 veröffentlichten vierteljährlichen Zeitreihe ab”, schreiben die Bundesbank-Volkswirte.Im Juli ist der Ifo-Geschäftsklimaindex im Monatsvergleich um 4,2 auf 90,5 Punkte geklettert. Der Zuwachs lag über den Erwartungen der Analysten, die einen Wert von 89,3 Zählern prognostiziert hatten, war aber nicht ganz so kräftig wie das Plus von 6,5 Punkten im Juni – dies war der stärkste jemals gemessene Anstieg. Das Vorkrisenniveau ist damit zudem immer noch nicht erreicht: Im Februar hatte das Ifo-Geschäftsklima bei 95,8 Punkten notiert.”Die deutsche Wirtschaft erholt sich schrittweise”, schließt Ifo-Präsident Clemens Fuest aus dem Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9 000 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, des Dienstleistungssektors, des Handels und des Bauhauptgewerbes. Im März und April war das Ifo-Geschäftsklima noch kräftig bis auf das historische Tief von 74,3 Punkten eingebrochen. Die Erholung des Stimmungsbarometers erfolgte auch im Juli auf breiter Basis: Laut Ifo-Institut waren die Befragten mit ihrer aktuellen Lage merklich zufriedener und blickten “vorsichtig optimistisch” auf die kommenden Monate. Haupttreiber war erneut die Erwartungskomponente (+ 5,4 auf 97,0 Punkte), die nunmehr auf dem zweithöchsten Stand seit November 2018 – damals waren 98,1 Punkte gemessen worden – notiert. Das Lagebarometer kletterte um 3,2 auf 84,5 Zähler.Trotz der wirtschaftlichen Aufhellung sollte man aber Demut walten lassen, mahnte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank: “Der deutsche Konjunkturmotor stotterte bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie.” Insbesondere die Industrie hatte lange unter den weltweiten protektionistischen Tendenzen, dem USA-China-Konflikt sowie der Sorge vor einem harten Brexit gelitten – vom Tisch sind diese beiden Themen allerdings immer noch nicht. Ifo-Experte Wohlrabe macht in der Industrie denn auch “noch einiges an Nachholbedarf” aus. Deutlich verbessert hätten sich die Erwartungen der Automobilhersteller, der Maschinenbau hingegen sei “noch ein bisschen das Sorgenkind”. Überraschend gut laufe die Binnenwirtschaft, sagte Wohlrabe. “Einzelhändler und Großhändler berichten von deutlich besseren Geschäften.” Dem Konsum habe eventuell auch die befristete Mehrwertsteuersenkung einen Impuls gegeben, so Wohlrabe.