Schwacher August für Tourismusbranche
Schwacher August
für Tourismusbranche
Inländische Gäste fehlen – Diskussion um Mehrwertsteuersatz
ba Frankfurt
Die deutschen Hotels, Gasthöfe, Pensionen, Campingplätze und sonstigen tourismusrelevanten Unterkünfte haben im wichtigen Ferienmonat August weniger Gäste beherbergt als im vergangenen Jahr. Das lag vor allem daran, dass Gäste aus dem Inland nicht mehr ganz so zahlreich in den Beherbergungsbetrieben übernachteten. Allerdings übersteigen die Übernachtungen inländischer Gäste das Vor-Corona-Niveau. Wohingegen die Frequenz der ausländischen Gäste und die Übernachtungszahlen insgesamt immer noch unter denen vom August 2019 liegen, dem Vergleichsmonat vor Beginn der Corona-Pandemie.
Inländische Gäste fehlen
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) wurden 57,1 Millionen Übernachtungen in- und ausländischer Besucher registriert. Das sind nicht nur 1,9% weniger als im Vorjahr, sondern auch 1,3% weniger als im August 2019. Die Zahl der inländischen Gäste fiel um 3,4% auf 47,6 Millionen. Das waren allerdings 1,0% mehr als im August 2019. Die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste legte im Vorjahresvergleich um 6,3% auf 9,5 Millionen zu. Damit wird das Vorkrisenniveau um 11,4% unterschritten.
Der September-Umfrage des Ifo-Instituts unter Unternehmen zufolge steht der Tourismus trotz der hohen Inflation im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen recht gut da. „Der läuft gerade“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. „Die deutschen Verbraucher möchten in den Urlaub fahren. Sie sind dafür bereit, mehr Geld auszugeben.“ Auch der deutsche Tourismusverband sieht, dass sich die die wirtschaftliche Lage der Branche stabilisiert. „Das ist eine gute Nachricht“, sagte Verbandsgeschäftsführer Norbert Kunz zu dpa-afx.
Pauschalreisen deutlich teurer
Seit Beginn der Corona-Pandemie haben Tourismus und Gastgewerbe heftige Geschäftseinbußen erlitten – wegen der pandemiebedingten Restriktionen und Lockdowns, aber auch wegen der anhaltend hohen Inflation. Zwar liegt die Jahresteuerungsrate in der Abgrenzung für europäische Zwecke (HVPI) aktuell – im September – bei 4,3%, doch zehrt sie immer noch an der Kaufkraft der Verbraucher und verdirbt ihnen die Konsumlust. Und auch wenn sich der Preisauftrieb bei den Dienstleistungen von 5,1% im August wegen des Basiseffekts auf 4,0% abgeschwächt hat: Pauschalreisen gehören mit einem Plus von 10,3% im Jahresvergleich zu den Preisen für Dienstleistungen, die „sich dennoch deutlich erhöhten“.
Diskussion über Mehrwertsteuersatz
Weitere Preissteigerungen drohen, falls zum Jahresende die Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes auf Restaurant-Dienstleistungen von 19% auf 7% ausläuft wie nach jetzigem Rechtsstand vorgesehen. 2020 war diese Maßnahme als vorübergehende Hilfe für die Gastronomie in der Corona-Pandemie beschlossen und im Frühjahr 2021 verlängert worden. Die Kosten dieser Steuersubvention belaufen sich laut einer ZEW-Studie derzeit auf gut 3 Mrd. Euro pro Jahr. Über das kommende Jahrzehnt könnten sie sich auf 37,8 Mrd. Euro aufsummieren. Ein Betrag, der laut ZEW-Experten Friedrich Heinemann durch eine Erhöhung der Mehrwert- oder anderer Steuersätze gegenfinanziert werden müsste. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) warnt, dass weitere 12.000 Unternehmen ihr Geschäft aufgeben, die Preise um durchschnittlich 18,2% zulegen und Jobs verloren gehen könnten, sollte wieder der reguläre Steuersatz fällig werden. Für Heinemann ist mit dem Pandemieende der Grund für die Steuerermäßigung entfallen. Zumindest in den Metropolen habe sich der Sektor erholt, und „vorausschauende Gastronomen“ dürften die seit 2020 durchgesetzten starken Preiserhöhungen bereits mit Blick auf die Rückkehr zum normalen Steuersatz kalkuliert haben.
Fachkräftemangel in allen Sektoren ein Problem
Das Argument, dass die Unternehmen der Branche Planbarkeit zur Erstellung von Angeboten für das nächste Jahr benötigten, zieht für Heinemann ebenfalls nicht: „Nach aktueller gesetzlicher Lage ist die Besteuerungsperspektive hinreichend geklärt.“ Zudem sei es „ein Leichtes und entspricht der geschäftlichen Praxis, das Angebot mit einer Formulierung wie ‚zuzüglich der jeweils aktuellen Umsatzsteuer‘ zu versehen“. Dass in der großen Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten für die Gastronomie ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz zur Anwendung kommt, ist für Heinemann ebenfalls kein nennenswerter Wettbewerbsnachteil, da Gastronomiedienstleistungen ihrem Wesen nach lokal sind. Auch Argumente wie das „Kulturgut“ Dorfkneipe oder Umweltaspekte sind für den ZEW-Experten nicht stichhaltig. Ebenso wenig wie das Argument, die ermäßigte Mehrwertsteuer sei angesichts des Arbeitskräftemangels in dieser Branche nötig, da dies eine Zahlung von „faire Löhnen“ ermögliche. Allerdings sei der Fachkräftemangel ein Problem aller Sektoren und sektorale Steuersubventionen seien daher keine Antwort.
Schulkantinen wären eine Ausnahme wert
Zu wenig Beachtung wird Heinemann in der Diskussion außerdem den Verteilungsaspekten geschenkt: Die Steuervergünstigung begünstige nämlich relativ reiche und kinderlose Haushalte, da die durchschnittlichen Haushaltsausgaben für Restaurations- und Verpflegungsleistungen mit dem Haushaltseinkommen steigen. Anders sehe es möglicherweise für die gastronomische Versorgung von Schulen und Kindergärten aus. „Hier sprechen nicht nur verteilungspolitische Argumente – die zielgenauere Begünstigung ärmerer Haushalte – sondern auch der Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft für eine besondere Betrachtung“, betonte Heinemann. Die Bundesregierung solle daher eine „eng umgrenzte Reduktion des Steuersatzes für Schulkantinen“ prüfen und „sich nun umgehend zum Ende des ermäßigten Steuersatzes für Restaurantdienstleistungen zum Jahresende bekennen“.