NOTIERT IN MAILAND

Im Garten Venedigs wird über Prosecco gestritten

Die Landschaft ist paradiesisch: hübsche kleine Dörfer, die sich zwischen die sich langsam von grün ins Gelbe und Rote verfärbenden Weinberge schmiegen, steile Hänge und im Hintergrund die ersten Gipfel der Alpen. Valdobbiadene ist Prosecco-Land und...

Im Garten Venedigs wird über Prosecco gestritten

Die Landschaft ist paradiesisch: hübsche kleine Dörfer, die sich zwischen die sich langsam von grün ins Gelbe und Rote verfärbenden Weinberge schmiegen, steile Hänge und im Hintergrund die ersten Gipfel der Alpen. Valdobbiadene ist Prosecco-Land und Teil einer Landschaft, die kürzlich zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde.Etliche der Produzenten wollen aber nichts mehr mit dem Schaumwein dieses Namens zu tun haben. Sie stellen den Prosecco Superiore der höchsten Qualitätsstufe der Denominazione di Origine Controllata e Garantita (DOCG) her. Weiter unten, in der Ebene, wachsen die maschinell bearbeiteten Reben, aus denen der ordinäre DOC-Prosecco entsteht. Die “Rebellen” aus den 15 Gemeinden um Valdobbiadene und Conegliano fürchten, dass ihr Image unter den Massenprodukten leidet.Seit der damalige Landwirtschaftsminister und heutige Regionalpräsident der Region Veneto, Luca Zaia, das Prosecco-Anbaugebiet 2009 auf neun Provinzen des Veneto und der Region Friaul ausgeweitet und damit die Anbaufläche auf 33 000 Hektar vervierfacht hat, sind die Prosecco-Verkäufe exorbitant gestiegen. Mit einem Umsatz von 2,5 Mrd. Euro und einer Exportquote von 75 % ist der Schaumwein eines der wichtigsten Ausfuhrgüter Italiens. Gefragt ist er vor allem in Großbritannien, in den USA und in Deutschland. Doch mit dem Erfolg kam auch der Unfrieden in den einstigen “Garten Venedigs”, der knapp 80 Kilometer nordwestlich der Lagunenstadt gelegen ist.Rund 3 300 der 16 000 Prosecco-Produzenten bauen ihren Wein in diesen Hügellagen an. Sie stellen auf 6 500 Hektar 91 Millionen Flaschen des DOCG-Labels her und setzen 521 Mill. Euro um. Sie schuften auf steilen Hängen und ernten ohne Einsatz von Maschinen per Hand. “Der Begriff Prosecco pauschalisiert zu sehr und droht heute die Jahrhunderte alte Tradition auf den Hügeln um Valdobbiadene und Conegliano auszulöschen”, sagt Loris Dall’Acqua, Mitinhaber des Weinguts Col Vetoraz und Berater vieler Weingüter. Seit kurzem sucht man die Bezeichnung Prosecco auf seinem Col Vetoraz vergeblich. Da steht nur noch “Valdobbiadene DOCG”.Giancarlo Moretti Polegato versteht die Aufregung nicht. Er ist Chef von Villa Sandi, der mit einem Umsatz von 100 Mill. Euro größten Privatkellerei der Region. Die Villa Sandi ist in beiden Teilen vertreten: Sie hat 1,5 Hektar in Valdobbiadene, produziert den ebenfalls hochpreisigen Asolo DOCG und verkauft ihr Spitzenprodukt, den Cartizze, für etwa 28 Euro die Flasche. Villa Sandi hat aber auch ausgedehnte Flächen in der Ebene und bietet DOC-Schaumweine für etwa 6 Euro an.Polegato will den Namen Prosecco keinesfalls von seinen Etiketten verbannen. “Ähnlich wie Champagner ist das eine Marke, die weltbekannt ist”, sagt er. Selbst der Verband der Champagnerproduzenten sei schon bei ihm gewesen, um sich zu informieren, warum Prosecco innerhalb von kaum mehr als zehn Jahren zum weltweiten Exportschlager geworden ist. Polegato selbst fährt in den nächsten Tagen in die Champagne. “Wir sollten von denen lernen”, findet er. Es sei eine Begrenzung der Anbaufläche nötig, eine Preisregulierung, etwa durch Steuerung der Erntemengen, und statt Streit mehr Einigkeit. Die Verbraucher kennten die Marke Prosecco und würden durch den Streit verwirrt. “Wir müssen die Unterschiede zwischen dem DOC-Schaumwein und dem edlen DOCG-Prosecco aus den Hügeln bekannter machen”, sagt er. Im Übrigen stehe es jedem Produzenten frei, Prosecco auf das Etikett zu schreiben oder nicht. Die Familie Polegato produziert in der dritten Generation Wein und Schaumweine, investiert in neue Abfüllanlagen, Keller und Weinberge. Als Privatmann hat Polegato kürzlich auch das Weingut Borgo Conventi in Collio im 150 Kilometer entfernten Friaul erworben.Der Region ging es nicht immer so gut wie heute. Es fällt allerdings auf, dass viele Fabrikanlagen leer stehen. Doch außer den Weinproduzenten gibt es auch andere erfolgreiche Unternehmer: Die Benettons etwa, die nach wie vor hier leben, und Schuhproduzenten wie Lotto. Polegatos Bruder Marco ist Gründer und Chef des börsennotierten Schuhherstellers Geox, gleich nebenan. Neffe Enrico führt den Sportschuhproduzenten Diadora.