NOTIERT IN WASHINGTON

Im Kreuzfeuer der Kritik

Der Sturzflug einer traditionsreichen amerikanischen Behörde, die Wirtschaftsverbrechen bekämpft und für den Personenschutz ranghoher Politiker und Staatsgäste zuständig ist, setzt sich fort. Zuletzt hatten zwei betrunkene Agenten des Secret Service...

Im Kreuzfeuer der Kritik

Der Sturzflug einer traditionsreichen amerikanischen Behörde, die Wirtschaftsverbrechen bekämpft und für den Personenschutz ranghoher Politiker und Staatsgäste zuständig ist, setzt sich fort. Zuletzt hatten zwei betrunkene Agenten des Secret Service mit ihrem Auto eine Sicherheitsbarrikade vor dem Weißen Haus gerammt, wo Experten gerade feststellen wollten, ob es sich bei einem verdächtigen Gegenstand womöglich um eine Bombe handelte. Nun stellt sich zudem heraus, dass ein leitender Beamter wohl auch noch versucht hat, den Zwischenfall zu vertuschen. Nicht auszuschließen, dass jetzt der dritte Secret-Service-Chef innerhalb von weniger als zwei Jahren den Hut nehmen muss.Begonnen hatte die Serie von scheinbar endlosen Blamagen vor drei Jahren in Cartagena, Kolumbien. Dort hatten elf angetrunkene Agenten, die logistische Vorbereitungen für Präsident Barack Obamas Teilnahme am Gipfel der Amerikas treffen sollten, mehrere Prostituierte angeheuert und in ihre Hotelzimmer bestellt. Der Vorfall ereignete sich kurz vor der Ankunft des Präsidenten. Die Beamten wurden postwendend vom Dienst freigestellt, neun von ihnen wurden mittlerweile entlassen. Prominentestes Opfer des Debakels war seinerzeit Mark Sullivan, der sein Amt als Direktor der Behörde niederlegen musste.Ein Jahr später hatten Mitarbeiter der Behörde, die unter anderem Leibwächter des Präsidenten stellt, im Vorfeld des Atomgipfels in Den Haag so tief ins Glas geschaut, dass einer der Bodyguards am nächsten Morgen bewusstlos in einem Hotelflur gefunden wurde. Drei der Agenten wurden nach Hause geschickt. Der schlagzeilenträchtige Vorfall ereignete sich weniger als 24 Stunden, bevor Obama zum Auftakt einer mehrtägigen Europareise in Amsterdam eintraf. Im vergangenen Sommer gelang es dann einem geistig verwirrten Kriegsveteranen, über den Zaun vor dem Weißen Haus zu klettern und unbehelligt so weit ins Weiße Haus vorzudringen, dass er beinahe des Privatquartier der First Family erreicht hatte. Der Vorfall kostete dann Sullivans Nachfolgerin Julia Pierson den Job.Der peinlichste und womöglich gefährlichste Vorfall ereignete sich dann am 4. März kurz vor 23 Uhr. Nach einer Sauftour rammten zwei Secret-Service-Beamte, einer von ihnen ein Bodyguard des Präsidenten, eine provisorisch errichtete Barrikade vor dem Weißen Haus. Dort hatte eine Frau einen in ein Hemd gewickelten Gegenstand abgelegt, war davongerannt und hatte geschrien, dass es sich dabei um eine Bombe handelt. Das außer Kontrolle geratene Auto kam direkt neben dem verdächtigen Gegenstand zum Stillstand, den Bombenexperten gerade behutsam inspizierten. Wie sich später herausstellte, hatte die geistig verwirrte Frau lediglich ein Buch vor dem Regierungssitz deponiert. Für Aufregung sorgt nun aber, dass zwei Beamte, die vor dem Weißen Haus Wache standen und den Fahrer sowie seinen Passagier auf Alkoholverdacht prüfen wollten, “von oben” die Anweisung bekamen, sie einfach nach Hause zu schicken.Während Medien das dilettantische Verhalten der Sicherheitsbeamten in hochsensiblen Positionen kritisierten, sahen Republikaner in den Skandalen ein Zeichen von Führungsschwäche seitens des Präsidenten, der nicht energisch genug durchgegriffen habe, um Reformen durchzusetzen.Besonders irritiert sind Politiker aber über die Bemühungen, den Vorfall vom vorvergangenen Mittwoch – von dem der Präsident erst fünf Tage später erfahren hatte – unter den Teppich zu kehren. Nun fordern Republikaner, dass der neue Secret-Service-Chef Joe Clancy – nach Sullivan und Pierson schon der dritte in zwei Jahren – seinen Rücktritt einreicht. Kritiker führen an, dass der Secret-Service-Mann, der seit 27 Jahren für die Behörde arbeitet, zu zögerlich sei, um seine langjährigen Kollegen und Mitarbeiter zu bestrafen. “Dabei hat ein unabhängiger Bericht den Präsidenten ausdrücklich und unumwunden aufgefordert, jemanden von draußen zu holen, der keine Verbindungen zu der Behörde hat”, mokiert sich Peter King, Mitglied des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus. Dass Obama diese Empfehlungen ignoriert habe und die Serie von Skandalen sich fortsetze, habe darum allein der Präsident zu verantworten.