Immer mehr Kommunen im "Teufelskreis"

EY beobachtet weiter auseinandergehende Schere zwischen armen und reichen Gemeinden

Immer mehr Kommunen im "Teufelskreis"

ge Berlin – Die Schere zwischen den mehrheitlich armen und dem Drittel reicher Kommunen öffnet sich immer weiter. Ohne die genauen finanziellen Lasten durch die Flüchtlingswelle schon beziffern zu können, befinden sich bereits heute viele Städte in einem “Teufelskreis” aus hohen Schulden und Zinszahlungen, niedrigen Investitionen, sinkender Attraktivität und rückläufigen Steuereinnahmen, urteilt Hans-Peter Busson, Partner bei der Beratungsgesellschaft EY (der früheren Ernst & Young) und Leiter der Sparte Government & Public Sector. “Die Zweiklassengesellschaft unter Deutschlands Kommunen ist bereits gelebte Realität.”Befragt nach der aktuellen Finanzlage, antwortet gut jeder zweite Kämmerer (55 % nach 49 % im Vorjahr), dass er für das laufende Jahr ein steigendes Etatdefizit erwartet. Umgekehrt sinkt der Anteil der Kommunen mit einem Haushaltsüberschuss von 41 auf 33 %. Gut jeder zweite Kämmerer geht davon aus, in den nächsten drei Jahren einen Haushaltssanierungsplan aufstellen zu müssen, weil der Etat ansonsten nicht mehr darstellbar wäre. “Die Abwärtsspirale, in der viele Kommunen gefangen sind, ist besorgniserregend”, erklärte Busson in Berlin. Sie säßen in der Schuldenfalle, müssten Leistungen streichen und Steuern erhöhen und könnten den Schuldenberg dennoch nicht abbauen – was zumeist auf die gerade in strukturschwachen Regionen stark steigenden Sozialausgaben zurückzuführen sei. Befragt nach dem laufenden Haushalt, gehen die Kämmerer davon aus, dass die Einnahmen 2015 im Schnitt um 1,2 % wachsen, während die Ausgaben um 3,3 % steigen, maßgeblich verursacht von um 5 % höheren Sozialausgaben. Absehbar ist bereits heute, dass dieser Posten angesichts der weiter kommenden Flüchtlinge nicht ausreichen wird.Zugleich zeigt die EY-Umfrage bei Kommunen mit 20 000 und mehr Einwohnern, dass vier von fünf der reichen Gemeinden mit einem niedrigen Schuldenstand von weniger als 1 000 Euro je Einwohner ihre ohnehin geringen Schulden weiter abbauen konnten. Bei Städten mit einem hohen Defizit von 2 000 Euro und mehr je Bewohner gelang dies nicht einmal einem Drittel, während gut zwei Drittel zusätzliche Schulden machen mussten. Zudem rechnet jede dritte Kommune damit, dass ihre Kassenkredite zunehmen. Diese an sich zur Finanzierung von kurzfristigen Aufgaben gedachten Kredite werden in immer größerem Umfang zur Alltagsfinanzierung benötigt. Im gleichen Umfang steigt der Investitionsstau auf inzwischen rund 30 Mrd. Euro.Dass der Anteil notleidender Kommunen im Westen Deutschlands höher ist als im Osten (siehe Grafik), erklärt EY mit dem Neustart der Kommunen 1990, disziplinierten Etatplänen und reichlicher Unterstützung durch den Solidarpakt. Jede fünfte Gemeinde ist finanziell so ausgeblutet, dass sie sich unter einen kommunalen Rettungsschirm flüchten musste. Dabei fließen Landeshilfen im Gegenzug zu strikten Sanierungsauflagen. Busson berichtet, nicht wenigen Kämmerern hülfen diese Vorgaben, weil so Gebührenerhöhungen oder Leistungskürzungen leichter durchsetzbar seien, als wenn sie die Kommunen selbst beschlössen.