In Brasilien zeigen sich erste Hoffnungsschimmer

Trotz der Coronakrise gibt es zarte Hinweise auf eine Besserung der wirtschaftlichen Entwicklung

In Brasilien zeigen sich erste Hoffnungsschimmer

Von Andreas Fink, Buenos AiresKaum ein Land wurde heftiger von der Coronavirus-Pandemie getroffen als Brasilien. Mit fast 67 000 Toten und knapp 1,7 Millionen registrierten Infizierten liegt das Land auf dem zweiten Rang der internationalen Seuchenstatistiken, hinter den USA. Und seit dieser Woche gehört auch der Präsident zu den Erkrankten. Nach drei Negativ-Tests während der vorigen Monate musste Jair Bolsonaro am Dienstag seinen Positiv-Befund bekannt geben, was der wohl deutlichste Hinweis darauf ist, dass der Keim in Brasilien weiter frei zirkuliert und sämtliche Voraussagen für ein Ende der Krise erschwert.Im Juni hatten Internationaler Währungsfonds und Weltbank ihre Prognosen für das 210-Millionen-Einwohner-Land deutlich korrigiert. Der IWF erwartet eine Schrumpfung von 9,1 %, die Weltbank errechnete ein Minus von 8 %. Brasiliens Regierung warf dem Fonds daraufhin vor, “Rätselraten” zu betreiben. Der IWF hatte kalkuliert, dass die Wirtschaft mit jeder Lockdown-Woche um 0,6 % pro Woche schrumpfen werde. Die Regierung berechnete hingegen, dass die Kontraktion bei lediglich 0,27 % liegt.Das Wirtschaftsministerium kalkuliert in diesem Jahr mit einem Rückgang der Gesamtwirtschaftsleistung von lediglich 4,7 %. Die Zentralbank errechnete ein Minus von 6,4 %. Beide stimmen freilich darin überein, dass das Schlimmste bereits überstanden sei. “Im April hatten wir katastrophale Zahlen, und nun bekommen wir schlechte” sagte ein Ministerialbeamter dem Finanzblatt “Valor económico”, um deutlich zu machen, dass es noch keinen Grund zum Feiern gibt. Mehr Lkw-ZulassungenLeisen Optimismus beziehen die Behörden aus einer Serie von Daten. So wurden etwa im Juni mehr neue Lastwagen zugelassen als vor Beginn der Krise. Die Nachfrage nach Elektrizität liegt nach einem Einbruch um 16 % Mitte April nur noch um 5 % unter dem Vorjahresniveau. Im Einzelhandel, dessen Umsätze Ende März um 50 % einbrachen, beträgt der Rückgang inzwischen nur noch 24 %, wie der Index des Finanzdienstleisters Cielo zeigt.Es gibt freilich wichtige Unterschiede. Die Tourismusbranche etwa leidet weiterhin massiv, aber die Zementhersteller meldeten im Juni ein Plus von 24,2 % gegenüber dem Vorjahr, weil viele Brasilianer im Zeichen von Lockdown und Homeoffice nicht in Ferien, sondern in die eigenen vier Wände investieren. Positive Effekte könnten auch von der letzten Leitzinssenkung ausgehen. Seit dem 17. Juni liegt der Selic auf dem historischen Tiefststand von 2,25 %.Ermutigend sind auch Signale aus der Hauptstadt: Präsident Bolsonaro hat sich seit Mitte Juni in Mäßigung geübt, nach Monaten des offenen Schlagabtausches mit Justiz und Parlament. Offenbar auf dringendes Anraten der Ex-Militärs, die inzwischen sämtliche Schaltstellen im Präsidentenpalast besetzen, hat Bolsonaro neue Allianzen mit dem “großen Zentrum” im Kongress geknüpft. Also mit Abgeordneten zahlreicher Kleinparteien, die ihre politischen Loyalitäten vor allem nach Kassenstand verteilen. Diese neuen Allianzen werden das Budget belasten, aber sie geben dem Präsidenten vorerst die Sicherheit, dass die Impeachment-Anträge der Linken gegen ihn – es sind schon mehr als 40 – keine Früchte tragen. Signale der MäßigungZudem ernannte Bolsonaro seinen moderaten Vizepräsidenten zum Vorsitzenden des Amazonas-Rates. Hamilton Mourao gab nun bekannt, dass die Regierung per Dekret die Brandrodung im Amazonas-Gebiet für 120 Tage verbieten werde. Diese Maßnahme ist ein deutliches Signal der Mäßigung und zielt auch klar über den Atlantik. Bereits in der Vorwoche hatte die brasilianische Regierung in einer diplomatischen Offensive versucht, das in der Amazonas-Krise im Vorjahr erheblich beschädigte Verhältnis zu Frankreich zu verbessern und so das gefährdete Freihandelsabkommen zwischen dem Mercosur und der EU zu retten.