In der EZB-Zinsdebatte wird der Ton rauer
In der EZB-Zinsdebatte wird der Ton rauer
Italiens Notenbankchef Visco widerspricht Argumentation von EZB-Direktorin Schnabel: Zu viel zu tun nicht besser
ms Frankfurt
Im Ringen der Euro-Notenbanker über den weiteren EZB-Zinskurs wird der Ton rauer. Italiens Notenbankchef Ignazio Visco äußerte nun Kritik an und Unverständnis über die Argumentation, die Europäische Zentralbank (EZB) solle im aktuellen Umfeld mit hartnäckig hoher Inflation ihre Geldpolitik im Zweifelsfall lieber ein wenig zu stark straffen als zu wenig. Genau dafür hatte unlängst EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel plädiert und damit für einiges an Aufsehen gesorgt (vgl. BZ vom 20. Juni).
Angesichts der zeitweise auf 10,6% hochgeschnellten Inflation hat der EZB-Rat seine Leitzinsen seit Juli vergangenen Jahres um insgesamt 400 Basispunkte erhöht und damit so aggressiv wie nie. Für Mitte Juli hat er zudem eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte avisiert. Wie es danach weitergeht, ist aber unklar und im EZB-Rat zunehmend umstritten. Die Hardliner („Falken“) dringen auf weitere entschlossene Zinserhöhungen, weil sie eine Entankerung der Inflationserwartungen und eine Lohn-Preis-Spirale befürchten. Die „Tauben“ dagegen mahnen zur Vorsicht und verweisen auf die bereits spürbar gesunkene Inflation und die Schwäche der Euro-Wirtschaft (vgl. BZ vom 17. Juni).
„Ich verstehe nicht und werde es auch weiterhin nicht verstehen, wenn in jüngster Zeit Überlegungen angestellt werden, die dazu ermutigen, lieber etwas mehr als etwas weniger restriktiv zu sein“, sagte Visco nun laut der Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwochabend in Rom. „Wir sollten so vorsichtig wie nötig sein, eine symmetrische Haltung einnehmen, in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen der geldpolitischen Strategie der EZB“, fügte er hinzu. Das liest sich wie eine Widerrede zu Aussagen von EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel.
Schnabel hatte die Position vertreten, dass die EZB in der aktuellen Situation mit sehr hoher Inflation ihre Geldpolitik notfalls lieber zu stark straffen sollte als zu wenig. Zur Begründung verwies sie vor allem darauf, dass es sehr hohe wirtschaftliche Kosten verursache, wenn sich die Inflation verfestigen würde und das später wieder rückgängig gemacht werden müsste. Schnabel sagte, dass die Kosten für den Schutz der Wirtschaft vor Aufwärtsrisiken für die Inflation „vergleichsweise gering seien“, da der Leitzins schneller auf ein neutrales Niveau zurückgeführt werden könne, als wenn die politischen Entscheidungsträger unter der Annahme einer niedrigen Inflationspersistenz handeln würden. Zudem sei es „sehr kostspielig“, erst dann zu reagieren, wenn sich die Aufwärtsrisiken für die Inflation verwirklicht hätten, da dies die Inflationserwartungen destabilisieren könnte. Das könnte dann eine stärkere Schrumpfung der Produktion erforderlich machen, um die Preisstabilität wiederherzustellen.
Visco liebäugelte bei seinem Auftritt auch mit einer Zinspause. Statt mit den Zinsen weiter vorzupreschen, könne das aktuell erreichte Niveau für einen ausreichenden Zeitraum gehalten werden, um so die Inflation zu drücken, sagte er (vgl. BZ vom 6. Juli). Zwar sei eine restriktive Geldpolitik „gerechtfertigt und sollte beibehalten werden“, so Visco. Es sei aber zugleich möglich, den Schaden für die Konjunktur zu begrenzen. Dagegen hatte Bundesbankpräsident Joachim Nagel auch am Mittwoch erneut für weitere Zinserhöhungen plädiert.
Visco ist als eine der größten „Tauben” im EZB-Rat bekannt. Dennoch sind seine Aussagen auch insofern bemerkenswert, als sie kurz nach noch einmal deutlich verschärften Attacken der italienischen Regierung auf die EZB kommen. Vize-Regierungschef Matteo Salvini hatte die EZB-Politik am Dienstag als „unsinnig und gefährlich“ kritisiert (vgl. BZ vom 28. Juni). Auch Regierungschefin Giorgia Meloni hatte Kritik geübt.