In der Hitze der Nacht
Die erste Hitzewelle hat in der britischen Metropole für Auseinandersetzungen gesorgt, die an die Unruhen vor fünf Jahren erinnern. Gleich an drei Orten – Hyde Park, Stamford Hill und Burgess Park – kam es am bislang heißesten Tag des Jahres 2016 zu Krawallen. Im Hyde Park lieferten sich Tausende Jugendliche Kämpfe mit der Polizei, nachdem eine Wasserschlacht zwischen Schülern verschiedener Lehranstalten in chaotische Auseinandersetzungen abgeglitten war. Über soziale Medien war zudem zu einer unangemeldeten jamaikanischen Musikveranstaltung eingeladen worden. Hennessy-Flaschen flogen Richtung Ordnungshüter, als diese sich daranmachten, die Lautsprecheranlage abzubauen. Mehrere Menschen waren angeblich mit Macheten bewaffnet. Die Polizei schaffte es schließlich, die Gewalttäter Richtung Marble Arch abzudrängen, wo eine Gruppe versuchte, ein McDonald’s-Restaurant zu plündern, während sich die Mitarbeiter im Keller versteckten. Augenzeugen zufolge riefen Teilnehmer der Krawalle “Black lives matter”. Bürgerrechtler zeigen sich empört darüber, dass sich die zum Teil angetrunkenen Jugendlichen den Slogan schwarzer Aktivisten gegen Polizeigewalt zu eigen machten, während sie ihre Dummheit, Langeweile und ihren Überdruss an anderen ausließen. Sondereinheiten der Polizei verhinderten, dass sich die Auseinandersetzungen auf die Einkaufsmeile Oxford Street verlagerten. Acht Personen wurden festgenommen. In Stamford Hill wurden Polizisten verletzt, als sie eine unangemeldete Musikveranstaltung auflösen wollten. In Burgess Park wurden, ebenfalls nach einer Wasserschlacht, Jugendliche bei Messerstechereien verletzt, ein Tesco-Supermarkt wurde von rund 200 Personen geplündert. Augenzeugen sprachen von Schülern, die Wasser für ihre Wasserpistolen stehlen wollten.Das Wetter hat sich mittlerweile abgekühlt, aber die Met Police fürchtet, dass ein Gedenkmarsch für Mark Duggan von Gangmitgliedern als Gelegenheit zur Randale missbraucht werden könnte. Auch beim Notting Hill Carnival könnte es diesen Sommer zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen. Duggan wurde am 4.8.2011 von einem Polizisten erschossen. Danach kam es landesweit zu Unruhen und Plünderungen, in deren Verlauf Schäden von mehr als 200 Mill. Pfund angerichtet wurden. Die Bürgerrechtsgruppen Tottenham Rights und Mark Duggan Justice Campaign wollen am 6. August eine Kundgebung vor der Polizeiwache in Tottenham abhalten. Umstritten sind nicht nur die Umstände des Todes von Duggan, sondern auch, ob es sich um einen unbescholtenen Bürger oder ein Gangmitglied handelte. Die Independent Police Complaints Commission (IPCC), die den Fall dreieinhalb Jahre untersucht hatte, wies im vergangenen Jahr alle Vorwürfe gegen die Ordnungshüter zurück. Es sei “logisch und legitim” gewesen, Duggan zu überwachen, denn er habe eine zunehmend prominentere Rolle in der Tottenham Mandem Gang gespielt, der zwei Morde und zahlreiche Schießereien zugerechnet werden. Duggan habe eine Schusswaffe in der Hand gehabt, als die Polizei das Auto stoppte, in dem er unterwegs war. Der Polizeieinsatz sei “vernünftig und angemessen” gewesen. Die Familie des Toten und ihre Unterstützer haben das Verdikt der unabhängigen Kommission nie akzeptiert. Zu den wilden Verschwörungstheorien, die zu Duggans Tod kursieren, gehört die Mär, Duggan sei von Polizisten aus dem Auto gezerrt und am Boden liegend erschossen worden. Der Familie zufolge hatte Duggan keine kriminelle Vorgeschichte und gehörte auch keiner Gang an. Dagegen sprechen Verurteilungen wegen Drogenbesitzes und Hehlerei.Anders als ihre US-Kollegen hält sich die britische Polizei mit dem Einsatz von Schusswaffen sehr zurück. Zuletzt wurden auch wesentlich weniger Menschen auf der Straße angehalten und nach Waffen durchsucht, weil sie wegen ihrer Hautfarbe für Gangmitglieder gehalten wurden. Vielleicht ist es diesen Sommer aber dennoch schon wieder so weit, dass aus Ohnmacht und fehlendem Bewusstsein schwere Unruhen hervorgehen. Es kommt schließlich in regelmäßigen Abständen dazu. Vor 25 Jahren gingen weite Teile Englands dabei in Flammen auf – anschaulich beschrieben im Pamphlet “Like a Summer with a Thousand Julys”.