LEITARTIKEL

In der Trump-Falle

Ein militärischer Konflikt zwischen den USA und China in den nächsten Jahrzehnten ist nach Einschätzung von Graham Allison ziemlich wahrscheinlich. Das ist die Kernthese, die der US-Historiker in einem Buch vertritt, das im vergangenen Jahr für...

In der Trump-Falle

Ein militärischer Konflikt zwischen den USA und China in den nächsten Jahrzehnten ist nach Einschätzung von Graham Allison ziemlich wahrscheinlich. Das ist die Kernthese, die der US-Historiker in einem Buch vertritt, das im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt hat. Seit sich Sparta im antiken Griechenland mit fatalen Folgen gegen das aufstrebende Athen wandte, hätten vergleichbare Konstellationen mit einer etablierten Großmacht und einem aufstrebenden Herausforderer immer wieder zu verheerenden kriegerischen Auseinandersetzungen geführt, schreibt Allison in “Für Krieg bestimmt: Können Amerika und China der Thukydides-Falle entkommen?”. Auch die USA und China seien gefährdet, in die nach dem griechischen General und Historiker Thukydides benannte Falle zu gehen und den Kampf um die weltweite Vormachtstellung am Ende mit militärischen Mitteln auszutragen, ist der Harvard-Professor überzeugt. Thukydides kam in seiner Rückschau auf den Peloponnesischen Krieg schon im fünften Jahrhundert vor Christus zu dem Schluss, dass es die Angst Spartas vor dem Aufstieg Athens gewesen sei, die einen Krieg zwischen den beiden Regionalmächten letztlich unvermeidlich gemacht habe.Die Falle, in die sich die USA und China in ihren Handelsbeziehungen manövriert haben und die jetzt zugeschnappt ist, hat nicht Thukydides gestellt und war auch nicht unvermeidlich, weist aber Ähnlichkeiten mit den von ihm beobachteten Mustern auf. Denn es ist vor allem die Sorge der Großmacht USA vor dem wirtschaftlichen Aufstieg des Herausforderers China, die im Kern des seit längerem schwelenden Handelskonflikts zwischen den beiden Mächten steckt. Am Freitag hat die US-Regierung erstmals Zölle eingeführt, die allein auf Importe aus China bezogen sind. Peking hat wie erwartet mit Einfuhrzöllen im gleichen Umfang geantwortet, die sich auf US-Produkte mit einem Importvolumen von 34 Mrd. Dollar beziehen. Die gesamtwirtschaftlichen Folgen sind bislang gering, auch wenn vor allem Farmer im Mittleren Westen und chinesische Arbeiter in den betroffenen Branchen erste Auswirkungen spüren. Schwerer wiegt, dass beide Seiten bereits versichert haben, die Falle mit allen verfügbaren Mitteln tiefer zu graben und derzeit kein Ausweg erkennbar ist. Die nächsten Eskalationsschritte sind vorgezeichnet. US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, die Zölle auf chinesische Einfuhren auf ein Handelsvolumen von bis zu 550 Mrd. Dollar auszuweiten, wofür die Importe aus China höher als im vergangenen Jahr ausfallen müssten. Die Volksrepublik hat ebenfalls die Absicht erklärt, an der Eskalationsspirale mitzudrehen, auch wenn das Importvolumen aus den USA mit rund 130 Mrd. Dollar keinen so großen Spielraum lässt. Peking kann US-Unternehmen wie Apple, General Motors oder Wal-Mart das Leben aber auch mit nicht-tarifären Interventionen schwer machen und so die Eskalationsdynamik hoch halten. Rechnet man nämlich das Exportvolumen der USA nach China mit den Umsätzen amerikanischer Firmen in der Volksrepublik zusammen, schließt sich die von Trump beklagte Lücke in den Handelsbeziehungen der beiden Länder rasant.Wie schnell sich die beiden Länder aus dem Handelskonflikt befreien können, hängt erst einmal davon ab, ob sie überhaupt zu der Einsicht gelangen, in einer Falle zu sitzen. Von US-Präsident Donald Trump, der schon in den Achtzigerjahren mit harscher öffentlicher Kritik an den Handelsbeziehungen der USA von sich reden machte und im Weißen Haus gebetsmühlenartig wiederholt, dass sich die USA nicht weiter von China “vergewaltigen” lassen dürfen, ist ein Einlenken nur zu erwarten, wenn sich die Stimmung unter seinen Stammwählern ändern sollte. Doch sie rechnen es Trump hoch an, dass er jetzt genau das tut, was er im Wahlkampf versprochen hat, selbst wenn sich das kurzfristig negativ auf ihre wirtschaftliche Situation auswirken sollte. Die Stimmung unter US-Verbrauchern hat gerade den höchsten Wert seit 17 Jahren erreicht – was Trump als akribischem Studenten von Einschaltquoten und Beliebtheitswerten sicher nicht verborgen geblieben ist. “So etwas wie die Thukydides-Falle gibt es nicht”, sagte der chinesische Staatschef Xi Jinping 2015 bei einem Besuch in den USA. Sollten großen Nationen aber wiederholt strategische Fehlkalkulationen unterlaufen, könnten sie sich in einer ähnlichen Falle wiederfinden, sagte er damals. In den handelspolitischen Beziehungen zwischen China und den USA könnte dieser Moment bereits gekommen sein. —–Von Stefan ParaviciniDie USA und China drohen in die nach dem Historiker Thukydides benannte Falle zu laufen. Am Freitag ist erst einmal eine andere Falle zugeschnappt.—–