In Russlands Wirtschaft brennt es lichterloh
Von Eduard Steiner, MoskauWenn ein notorischer Optimist wie Russlands Wirtschaftsminister Alexej Uljukajev sagt, die Dynamik des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im zweiten Quartal “zwingt zum Nachdenken”, ist eigentlich Feuer am Dach. Gewiss, im dritten Quartal werde es besser, behauptete er am Dienstag, merkte aber an, dass die Prognose für das Gesamtjahr – wohl nach unten – korrigiert werden könnte.Grund für Uljukajevs plötzliche Nachdenklichkeit sind die vorläufigen Zahlen für das zweite Quartal: Am Montagabend hatte das Statistikamt Rosstat bekannt gegeben, dass die russische Wirtschaft im zweiten Quartal um 4,6 % eingebrochen ist. Es ist der größte Absturz seit dem Krisenjahr 2009, als die Kontraktion 7,9 % betrug. Erholung noch ungewissIm ersten Quartal 2015 war das BIP nur halb so stark, nämlich um 2,2 % geschrumpft. Damit taucht die Frage auf, ob die Talsohle der Rezession tatsächlich durchschritten ist, wie Uljukajev schon im Juli behauptet hatte. Ökonomen wie diejenigen der Deutschen Bank bleiben vorsichtiger und erwarten eine Erholung frühestens für das vierte Quartal. Die Zahlen von Rosstat fallen wohlgemerkt in eine Zeit, in der Russland gerade schmerzhaft daran erinnert wird, wie sehr es noch immer vom Ölpreis abhängt. Wegen des neuerlichen Ölpreisverfalls rasselte der Wert des Rubel in Tiefen wie zuletzt im Februar.Der niedrige Ölpreis ist nicht der einzige Pferdefuß. Der andere sind die Strukturprobleme, die seit Ende 2012 das Wachstum sukzessive in eine Stagnation und letztlich in die jetzige Rezession übergehen ließen. Auf diesem Substrat wirken die Sanktionen gegen Russland und der von Russland als Reaktion darauf verhängte Import-Stopp für westliche Agrarprodukte wie ein Verstärker. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass die Sanktionen Russland mittelfristig 9 % Wachstum kosten werden.Der Spielraum der Zentralbank, die Wirtschaft anzukurbeln, ist aufgrund der Inflation, die für Ende 2015 auf 10,8 % veranschlagt wird, beschränkt. Das Wirtschaftsministerium prophezeite bisher für das Gesamtjahr 2015, dass das BIP um 2,6 bis 2,8 % schrumpfen werde, ehe es 2016 um 2,3 % wachsen sollte. Der IWF erwartet für 2015 ein Minus von 3,4 % und für 2016 ein Mini-Wachstum von 0,2 %.