Indikatoren signalisieren anhaltende Erholung

ZEW-Barometer klettert unerwartet kräftig

Indikatoren signalisieren anhaltende Erholung

ba Frankfurt – Finanzmarktexperten blicken im September so zuversichtlich auf die deutsche Konjunktur wie zuletzt zu Beginn dieses Jahrhunderts. Dass die Wirtschaft auf Erholungskurs ist, zeigen sämtliche zuletzt veröffentlichten Konjunkturdaten an, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) gestern in einer Videokonferenz erläuterte. In den Sommermonaten Juli und – soweit aktuell erkennbar – August habe sich die Wirtschaft wieder etwas erholen können und Frühindikatoren würden eine weitere Aufholbewegung andeuten, erklärte Albert Braakmann, Leiter der Abteilung “Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Preise” bei Destatis. Höchster Stand seit 20 JahrenDie im September gestiegenen ZEW-Konjunkturerwartungen – ebenfalls ein Frühindikator – zeigen, dass die 178 befragten Analysten und institutionellen Anleger “weiterhin von einer spürbaren Erholung der deutschen Wirtschaft ausgehen”, kommentierte Achim Wambach, Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Im Monatsvergleich kletterte die Erwartungskomponente um 5,9 auf 77,4 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit Mai 2000. Auch die ins Stocken geratenen Brexit-Verhandlungen und die steigenden Corona-Infektionszahlen konnten die positive Stimmung nicht bremsen. Allerdings weise der nach wie vor schlechte Ausblick für den Bankensektor “auf Befürchtungen einer steigenden Zahl von Kreditausfällen im nächsten halben Jahr hin”, warnte Wambach. Aber auch die aktuelle Lage wurde besser als im Vormonat beurteilt – hier kletterte der Index um 15,1 auf – 66,2 Zähler (siehe Grafik). Mit Blick auf die Eurozone hat sich Wambach zufolge der Ausblick ebenfalls spürbar verbessert, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß: Die Erwartungskomponente kletterte um 9,9 auf 73,9 Punkte, der Lageindikator stieg um 8,9 auf – 80,9 Zähler.Ökonomen hatten zuvor mit jeweils niedrigeren Indexständen gerechnet. Auch wenn das Ergebnis “natürlich durch den vorherigen Einbruch beeinflusst ist”, stellt sich Christian Lips von der Nord/LB “die Frage, ob die Finanzmarktexperten nicht allmählich schon zu euphorisch gestimmt sind und Risiken zu wenig Beachtung schenken”. Dazu zählten auch geopolitische Konflikte wie USA vs. China oder zwischen der Türkei und Griechenland. Gleichwohl passe die positive Stimmung zu dem sich abzeichnenden Rückpralleffekt nach dem historischen Einbruch im ersten Halbjahr, wofür auch die jüngsten Signale hochfrequenter Konjunkturindikatoren sprächen. Destatis will schnellere DatenDiese sind auch für die Wiesbadener Statistiker während der Coronakrise wichtiger geworden: Sie würden “schnellere, hochfrequente, hochaktuelle Daten gerne nutzen – aber faktenbasiert”, wie Braakmann erläuterte. Experimentell nutzt Destatis bereits Hochfrequenzdaten wie etwa Bewegungsdaten im Einzelhandel und Gastgewerbe. Scannerdaten von Supermarktkassen, die derzeit freiwillig angeliefert werden, hätten “schon sehr spannende Ergebnisse geliefert”. Damit die Daten angefordert werden könnten, brauche es aber Gesetzesänderungen im Bundestag. Ein neues Preisstatistikgesetz sei bereits verabschiedet, ob Weiteres noch in dieser Legislaturperiode klappe, sei noch offen, so Braakmann.Nach dem durch Corona bedingten Absturz sei nun in vielen Branchen eine mehr oder weniger ausgeprägte V-förmige Erholung sichtbar. Eine zweite Coronawelle könnte die derzeitige Erholung allerdings gefährden, warnte Braakmann. Das Vorkrisenniveau sei in weiten Teilen der Wirtschaft noch nicht wieder erreicht. Weiter schwierig sei die Lage in konsumentennahen Dienstleistungsbereichen. Am 30. Oktober legt Destatis die Schnellschätzung zur Wirtschaftsentwicklung im dritten Quartal vor. Im zweiten Quartal schrumpfte die Wirtschaft um 9,7 % zum Vorquartal. Das war der schärfste Einbruch seit Beginn der quartalsweisen Erhebung 1970.