Industrie drängt Berlin zum Handeln

Coronavirus alarmiert Wirtschaftsvertreter - Bundesregierung erwägt Hilfe - Blicke richten sich auf die EZB

Industrie drängt Berlin zum Handeln

Wirtschaftsvertreter sehen in dem sich ausbreitenden Coronavirus einen “Stresstest” und “wahren Konjunkturhemmer” für die deutschen Unternehmen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagt, die Bundesregierung überlege, wie sie “notfalls” reagieren könne. Auch Brüssel denkt über Hilfen nach.BZ Frankfurt – Die Ausbreitung des Coronavirus ruft die Politik auf den Plan. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte gestern in Berlin, die Bundesregierung sei in einem Stadium von Überlegungen, wie sie bei einer weiteren Verschlechterung “notfalls” reagiere. Es gehe nicht um Konjunkturprogramme, sondern darum, bereits geplante steuerliche Maßnahmen vorzuziehen. Zudem gebe es eine Hotline für Firmen. Altmaier schloss nicht aus, dass die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für 2020 von derzeit 1,1 % senken könnte.Die EU-Kommission erwägt derweil laut Wirtschaftskommissar Thierry Breton Hilfen für Branchen, die besonders von der Ausbreitung des Coronavirus betroffen sind. Dazu gehörten die Tourismus- und die Autoindustrie. Die EU-Kommission werde darüber in einem Monat entscheiden. Spezielle Grenzkontrollen als Maßnahme zur Virus-Eindämmung soll es nach Angaben der EU-Kommission in der Europäischen Union bis auf Weiteres nicht geben.In Deutschland und anderen europäischen Ländern wurden am Donnerstag weitere Fälle bekannt. Die Bundesregierung richtete einen Krisenstab ein. Innenminister Horst Seehofer (CSU) sagte laut der Nachrichtenagentur Reuters, die Lage habe sich “deutlich verschärft”. Zuvor hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gesagt: “Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie.” DIHK und BDI besorgtAuch Wirtschaftsvertreter zeigten sich alarmiert. Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutsche Industrie- und Handelskammertags (DIHK), sagte: “Die Ausbreitung des Coronavirus wird der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr erheblich zusetzen.” In einer ohnehin geschwächten Wirtschaftslage drohe die Ausbreitung des Coronavirus zu einem “wahren Konjunkturhemmer” zu werden. Die international stark vernetzte Exportwirtschaft spüre, dass das Coronavirus den weltweiten Handel belaste und zahlreiche Unternehmen ihre Investitionen an vielen Standorten zurückhielten.Ähnlich äußerte sich laut dpa-afx Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI). Lang forderte die Bundesregierung zu einem koordinierten wirtschaftspolitischen Vorgehen auf: “Neben dem Gesundheitsschutz muss die Politik ab sofort auch das wirtschaftliche Krisenmanagement in den Fokus nehmen.” Einige Lieferketten mit starkem China-Fokus würden den “Stresstest” derzeit nicht bestehen. “Die Auswirkungen des Virus sind in der globalen Wirtschaft und der exportorientierten deutschen Industrie deutlich zu registrieren”, so Lang. Die mehr als 5 000 deutschen Firmen in China seien in Beschaffung, Produktion und Absatz stark eingeschränkt, so der BDI. Die deutsche und die europäische Handelskammer in China hatten unter Berufung auf eine Umfrage unter ihren Mitgliedsunternehmen mitgeteilt, fast 90 % der Firmen berichteten von “mittelschweren bis starken Auswirkungen” durch das Virus. Lang sagte: “Die Unsicherheit über die Auswirkungen des Virus ist groß. Der Konjunktur drohen spürbare negative Effekte.”Damit richtet sich der Blick verstärkt auch auf die Europäische Zentralbank (EZB), die am 11. und 12. März tagt. Die Notenbank beobachte die Krise sehr genau, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde der “Financial Times”. Die Krise sei aber nicht so weit fortgeschritten, dass sie einen nachhaltigen Einfluss auf Angebot und Nachfrage sowie die Inflation habe, sagte die Französin. EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann sagte der Börsen-Zeitung: “Wenn es gelingt, dieses Virus in den nächsten Monaten zu überwinden, wird der Einfluss auf die Weltwirtschaft und auch auf die europäische Wirtschaft sehr begrenzt sein”. Man dürfe nicht überreagieren. “Ich gehe davon aus, dass es im EZB-Rat weiter eine breite Unterstützung für eine Politik der ruhigen Hand geben wird” (siehe Interview Seite 7).Beunruhigter zeigte sich EZB-Direktorin Isabel Schnabel. “Wir alle sind sehr besorgt über das, was gegenwärtig im Hinblick auf die Ausbreitung des Coronavirus passiert”, sagte sie laut Reuters. Falls sich das Virus stärker in Europa festsetze, könne die EZB darüber nicht hinwegsehen. Die Unsicherheit nehme in erheblichem Maße zu. – Berichte Seite 13