Industrie hat noch zu kämpfen
Industrie hat noch zu kämpfen
Produktion sinkt leicht − Exporte steigen − Weniger Lkw unterwegs − Bundesbank und HWWI erwarten moderates Wachstum
Der Start ins zweite Quartal fällt für die deutsche Industrie mau aus: Niedrigere Produktion, der Auftragsnachschub stockt und es sind weniger Brummis unterwegs. Zumindest setzen die Exporte den Aufwärtstrend fort. Mehr als ein moderates Wachstum wird es nicht, zeigen die Prognosen von Bundesbank und HWWI.
ba Frankfurt
Von Alexandra Baude, Frankfurt
Die Anzeichen verdichten sich, dass sich die deutsche Wirtschaft nach einem wohl noch schwachen zweiten Quartal im weiteren Jahresverlauf berappeln wird. Während bei den Dienstleistern die Aufwärtsbewegung wieder eingesetzt hat, wie die Bundesbank in ihrer Halbjahresprognose schreibt, wird auch die Industrie wieder in Fahrt kommen. Dort sind die Auftragsbestände noch so hoch, dass die Produktion auf niedrigem Niveau stabil ist. Der Produktionsrückgang im April beruht auf dem erwarteten Rückschlag im Baugewerbe. Stimmungsindikatoren aber deuten den Beginn der Trendwende bei den seit zwei Jahren schwächelnden Auftragseingängen an, sodass die Fertigung im zweiten Halbjahr wieder anziehen dürfte. Die Exporte wiederum setzen im April den Aufwärtstrend fort. Alles in allem bestätigen die am Freitag veröffentlichten harten Daten, dass der Erholungspfad holprig ist.
Exporte legen zu
Laut dem Statistischen Bundesamt haben Industrie, Bau und Energieerzeuger im April die Gesamtfertigung preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,1% im Monatsvergleich eingeschränkt. Dass die Fahrleistung mautpflichtiger Lkw auf den hiesigen Autobahnen im Mai um 1,0% zum Vormonat gesunken ist, lässt auf eine zunächst eher rückläufige Produktion schließen. Die Exporte wiederum haben im April saison- und kalenderbereinigt um 1,6% gegenüber März auf 136,5 Mrd. Euro zugelegt. Da die Importe zugleich um 2,0% auf 114,5 Mrd. Euro gestiegen sind, hat sich die Handelsbilanz etwas eingeengt. Kalender- und saisonbereinigte ist der Außenhandelsüberschuss auf 22,1 Mrd. Euro gefallen nach 22,2 Mrd. Euro im März.
Hoffnung auf zweites Halbjahr
Ökonomen wie auch das Bundeswirtschaftsministerium betonen unisono, dass die Produktion in der zweiten Jahreshälfte wieder anziehen und zu einem dann wieder höheren Wirtschaftswachstum beitragen wird. So schreibt das Wirtschaftsministerium: „Trotz der zuletzt etwas schwächeren Auftrags- und Produktionsdaten stützen die jüngste Aufhellung der Stimmung bei Unternehmen, Einkaufsmanagern und Finanzexperten wie auch die zunehmenden Impulse von der Außenwirtschaft die Erwartung einer allmählichen Erholung der Wirtschaftsleistung im weiteren Jahresverlauf.“
Bau lässt schon nach
Angesichts der bislang ungelösten strukturellen Probleme erwartet das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Institut (HWWI) deshalb für das laufende und das kommende Jahr „unverändert nur einen moderaten Aufschwung“, wie es in der am Freitag vorgelegten Sommerprognose. Im Durchschnitt dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,2% bzw. 1,0% zulegen. Im ersten Quartal gab es wegen der starken Bauinvestitionen und der höheren Exporte noch einen BIP-Zuwachs von 0,2% zum Vorquartal − mehr, als Ökonomen erwartet hatten, und daher Futter für Konjunkturhoffnungen. Nachdem die Baubranche allerdings in der Krise steckt und der Anstieg witterungsbedingt war, erwarten Ökonomen hier einen Rückprall.
Im April hat das Baugewerbe die Fertigung bereits wieder um 2,1% gedrosselt, wie die Wiesbadener Statistiker melden. Die Energieerzeugung hingegen stieg um 1,6%. Für die Industrie im engeren Sinne meldet Destatis ein Plus von 0,2%. Dabei gab die gewichtige Autobranche mit einer Produktionsausweitung von 4,2% einen positiven Impuls.
Bundesbank optimistischer als HWWI
Die Bundesbank zeigt sich in ihrer Halbjahresprognose etwas optimistischer als das HWWI: Die Frankfurter erwarten für 2024 ein BIP-Wachstum von 0,3%, 2025 sollen es 1,1% werden und 2026 dann 1,4%. „Dies entspricht weitgehend der vorherigen Deutschland-Prognose vom Dezember 2023“, heißt es bei der Bundesbank. Als Treiber des Wachstums werden in diesem und im kommenden Jahr der Privatkonsum und die Exporte fungieren, 2026 kommen dazu die Unternehmensinvestitionen. Diese dürften ab Ende kommenden Jahren von den allmählich abklingenden Auswirkungen der geldpolitischen Straffung, der wieder dynamischere Auslandsnachfrage sowie den Bemühungen der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft profitieren.
Inflation sinkt nur zögerlich
Die Inflationsrate dürfte nach Ansicht der Bundesbank zwar weiter zurückgehen, aber in einem verhaltenen Tempo. „Mit Blick auf Zinssenkungen fahren wir im EZB-Rat nicht mit Autopilot“, mahnte Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Die Europäische Zentralbank hatte am Donnerstag erstmals seit Jahren die Zinsen wieder gesenkt. Nach Schätzung der Bundesbank dürfte die zu europäischen Zwecken berechnete Inflationsrate HVPI von jahresdurchschnittlich 6,0% im vergangenen Jahr auf 2,8% sinken – im Dezember lag die Prognose noch bei 2,7%. Für 2026 werden durchschnittlich 2,2% erwartet, also nahe dem EZB-Preisziel von 2%. Die Kernrate, also ohne die volatilen Größen Energie und Nahrungsmittel wird für den Prognosezeitraum mit 3,1%, 2,5% und 2,3% geschätzt.