Industrie mahnt die Parteien – SPD setzt auf höhere Steuern
wf Berlin
Wettbewerbsfähige Steuern, bezahlbare Energiekosten, eine flächendeckende digitale Infrastruktur, ein offener, regelbasierter Welthandel und eine maßvolle Regulierung sind für die deutsche Industrie zentrale Anforderungen an die Politik im Wahljahr 2021. „Künftige Regierung muss Standort gestalten, statt ihn nur zu verwalten“, erklärte kurz und knapp Siegfried Russwurm, Präsident des Industrieverbands BDI.
Insgesamt 88 Punkte hat der BDI pünktlich zum Wahlkampfauftakt als Empfehlungen für die neue Regierung zusammengetragen. Die SPD stellte am Montag als erste Partei in Berlin ihr „Zukunftsprogramm“ für die Bundestagswahl im Herbst vor. „Zukunft und Respekt, Europa – das sind die zentralen Schwerpunkte dieses Programms“, sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz vor der Presse in Berlin. „Es ist ein zuversichtliches Programm.“ Die SPD setzt damit auf eine Politik, die Scholz zufolge gute und gut bezahlte Arbeitsplätze schafft. „Wir stehen an der Seite der vielen Unternehmen, die ihre soziale, gesellschaftliche und ökologische Verantwortung ernst nehmen“, schreibt die Partei. „Wir wollen Unternehmen unterstützen, für die der Sinn ihrer wirtschaftlichen Aktivität und der langfristige Bestand ihres Unternehmens wichtiger sind als der kurzfristige Gewinn.“ Dazu will die SPD gemeinwohlorientierte Unternehmen und soziale Innovationen systematisch fördern. Große Unternehmen sieht das Zukunftsprogramm nur als Steuerzahler. „Wir werden Steuervermeidung mit einem öffentlichen Reporting großer, international agierender Unternehmen eindämmen“, heißt es. Erwähnt werden auch große Digitalunternehmen, die das Gemeinwesen angemessen finanzieren müssten. Ausweiten will die Partei die Mitbestimmung auf „ausländische Rechtsformen“ sowie kleinere Firmen.
Die aktuelle Erbschaftsteuer hält die SPD für „ungerecht“, da sie vermögende Unternehmenserben bevorzuge. „Mit einer effektiven Mindestbesteuerung werden wir die Überprivilegierung großer Betriebsvermögen abschaffen“, heißt es. „Auch für vermögenshaltende Familienstiftungen werden wir eine Mindestbesteuerung einführen.“ Bei der Wiederbelebung der Vermögensteuer setzt die SPD auf einen „maßvollen, einheitlichen Steuersatz“ von 1% für „sehr hohe Vermögen“, verbunden mit „hohen persönlichen Freibeträgen“. Zahlen werden nicht genannt. „Die Grundlage von Betrieben wird bei der Vermögensteuer verschont“, heißt es wörtlich.
Steuerreform für die Kleinen
Die Besteuerung von Einkommen soll mit der SPD gerechter werden, indem kleinere und mittlere Einkommen entlastet und dafür „die oberen 5%“ stärker für die Finanzierung wichtiger öffentlicher Aufgaben herangezogen werden. Eine entlastende Unternehmenssteuerreform, wie sie der BDI fordert, steht nicht auf der Agenda. Der Industrieverband tritt für eine „wettbewerbsfähige Steuerbelastung von 25%“ ein, die damit knapp über dem OECD-Durchschnitt von 23,5% liegt. Hierzulande sind es rund 31,3%.