Industrie sorgt für besseres Ifo-Klima
Das Ifo-Geschäftsklima für September signalisiert ebenso wie schon der Einkaufsmanagerindex, dass die Erholung vorangeht, aber an Tempo verliert. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Aussichten werden von den Unternehmen besser eingeschätzt als zuvor. Insbesondere die Industrie kommt voran.ba Frankfurt – Zum Ende des dritten Quartals steigt die Stimmung in den deutschen Chefetagen trotz der immer näherkommenden zweiten Corona-Infektionswelle. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, wichtigster Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung hierzulande, stieg im September um 0,9 auf 93,4 Punkte. Ökonomen hatten den fünften Anstieg in Folge zwar erwartet, allerdings ein etwas kräftigeres Plus von 93,8 Zählern auf der Rechnung. Vor allem die aktuelle Lage wurde besser als im Vormonat eingeschätzt. Aber auch die Erwartungskomponente legte zu.”Die deutsche Wirtschaft bewegt sich derzeit sicher in unruhigen Pandemie-Gewässern”, kommentierte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter rund 9 000 deutschen Unternehmen. Das Ifo-Barometer spiegelt damit das Ergebnis der am Vortag veröffentlichten IHS-Markit-Umfrage unter Einkaufsmanagern: Die Erholung der heimischen Wirtschaft setzt sich fort, wenn auch in etwas gemächlicherem Tempo als direkt nach dem Ende des Lockdowns. Dienstleister kämpfenZudem zeigt sich in den Ifo-Daten ebenso wie im Einkaufsmanagerindex eine zweigeteilte Entwicklung: Während die Industrie wieder stärker in Schwung kommt, leiden die Dienstleister – vor allem aus der Reisebranche und im Gastgewerbe – unter den wieder stärker steigenden Neuinfektionszahlen und den damit einhergehenden Sorgen vor einem erneuten Lockdown. Im Vergleich zur Erhebung von IHS Markit trübte sich die Stimmung im Servicesektor aber nicht ganz so kräftig ein, nachdem sie sich zuvor vier Monate in Folge erholt hatte. Die Unternehmen beurteilten laut Ifo-Institut die Lage minimal besser, wohingegen die Erwartungen weniger optimistisch ausfielen. Der Stimmungsindikator der Dienstleister steht daher nun bei 6,9 Punkten nach 7,7 im Vormonat. Insbesondere die Schwäche der Dienstleister findet Andreas Scheuerle von der DekaBank bedenklich. Zusammen mit dem Einkaufsmanagerindex ergäben die Ifo-Daten “ein Bild, das eher vorsichtig stimmt”.Die Industrie, so urteilt Ifo-Experte Wohlrabe, “hat sich deutlich stabilisiert und ist auf dem Weg nach oben”. Sie setze ihren Aufschwung fort, und ihre Exporterwartungen hätten sich deutlich verbessert. Der Geschäftsklimaindikator des verarbeitenden Gewerbes legte merklich zu. Nicht nur, dass deutlich weniger Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage schlecht einschätzen. Laut Ifo erwarten mehr Industriefirmen, dass sich ihre wirtschaftliche Lage weiter verbessern wird. Grund für diese positiven Aussichten, die per saldo so hoch seien wie zuletzt im Jahr 2017, dürften laut DWS-Europa-Chefvolkswirt Martin Moryson die abnehmenden Lagerbestände sein. “Die Auftragslage ist noch gut, hat aber auch an Schwung verloren”, sagte Ifo-Experte Wohlrabe. China-BonusDas Neugeschäft profitiere aktuell noch von Nachholeffekten, bei Anschlussaufträgen sei die Lage aber noch wackelig, so Wohlrabe. Besonders gut laufe es derzeit in der Elektrobranche: “Beim Geschäftsklima im Maschinenbau ist dagegen noch deutlich Luft nach oben.” Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, mahnt allerdings zur Vorsicht: Hinter der Klimaaufhellung in der Industrie verberge sich “unter anderem eine Art von Sonderkonjunktur für die deutsche Automobilwirtschaft”: Aus Angst vor der Infektionsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln würden viele Chinesen in das eigene Auto steigen – gerne in das eines deutschen Premiumherstellers.Im Handel, dem die stabile Lage auf dem Arbeitsmarkt und die temporäre Mehrwertsteuersenkung helfen, hat sich das Geschäftsklima deutlich aufgehellt. Neben der merklich gestiegenen Zufriedenheit mit der aktuellen Geschäftslage gingen laut Ifo-Institut zusätzlich viele Unternehmen von einer weiteren Belebung in den kommenden Monaten aus. Auch im Bauhauptgewerbe verbesserte sich das Klima, wobei die Lage so gut eingeschätzt wurde wie seit März nicht mehr.Ökonomen werteten den Anstieg des Ifo-Geschäftsklimaindex als Zeichen, dass die Erholung hierzulande weitergeht, wenn auch in geringerem Tempo als direkt nach den Lockerungsschritten ab Anfang Mai. In einer wirtschaftlich turbulenten Phase wie derzeit, so sagt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer, sei es “viel wichtiger, dass die Unternehmen ihre aktuelle Lagebeurteilung positiver einschätzen”, als dass sich die Geschäftserwartungen erholten. Dies ergebe sich auch daraus, dass vom Tiefpunkt im März und April aus gesehen die Erwartungen nur besser werden könnten, aber mit zunehmender Normalisierung der Anteil der Unternehmen, die eine weitere Besserung erwarten, kaum noch zunehmen könne. Im September kletterte die Erwartungskomponente um 0,5 auf 97,7 Punkte, während der Lageindikator um 1,3 auf 89,2 Zähler zulegte (siehe Grafik).Jörg Angelé, Senior Economist bei Bantleon, macht bei der Lagekomponente “noch ein gutes Stück Luft nach oben” aus. Auch der Ifo-Index insgesamt habe “noch einiges an Aufwärtspotenzial”. Sollte aber die Ausbreitung des Virus nicht zurückgedrängt werden, würde die konjunkturelle Erholung und damit der Ifo-Index merklich gebremst. Dass der anfangs hohe Schwung der wirtschaftlichen Erholung abebbe und die Zahl der Corona-Neuinfizierten steige, bezeichnet KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib als “ungesunde Mischung zum Beginn des Herbstes”. Die gesundheits- und wirtschaftspolitischen Anstrengungen müssten sich nun darauf fokussieren, dass die konjunkturelle Besserung auch nach dem zu erwartenden Rekordwachstum im dritten Quartal in befriedigendem Tempo weitergehe.