Industrie stützt Berlin gegen Riad
Die Bundesregierung geht wegen der Khashoggi-Affäre auf Distanz zu Saudi-Arabien und setzt die Genehmigung für Rüstungsgüterexporte aus. Die deutsche Industrie steht dahinter. Nach harscher Kritik des früheren Außenministers Sigmar Gabriel herrschte gerade wieder Tauwetter mit dem Land am Golf. wf Berlin – Die deutsche Industrie steht hinter dem Genehmigungsstopp von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien und möglichen Wirtschaftssanktionen. Es sei “in erster Linie politisches Handeln gefragt”, sagte der Präsident des Industrieverbands BDI, Dieter Kempf, dem Deutschlandfunk. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatten zuvor angekündigt, bis zur vollständigen Aufklärung des Falls Khashoggi werde Berlin keine weiteren Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien genehmigen. Ob auch bereits genehmigte Exporte von der Regierung blockiert werden, ließ Altmaier offen. Dies war im Fall von Russland nach der Annexion der Halbinsel Krim geschehen. Die Grünen im Bundestag forderten eine komplette Aussetzung.Der regimekritische Journalist Jamal Khashoggi war am 2. Oktober im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul zu Tode gekommen – nach Darstellung der saudischen Regierung in Riad in einem Handgemenge, nach Einschätzung der türkischen Behörden durch Mord. Die Kanzlerin habe politisch Position bezogen, sagte Kempf. “Die Wirtschaft unterstützt immer in solchen Themen das Primat der Politik.” Dies sei so anerkannt, auch wenn es im Einzelfall für Unternehmen misslich sei. Bei Rüstung in der Spitze Von Januar bis September genehmigte die Bundesregierung Ausfuhren von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien über 416 Mill. Euro – der zweithöchste Wert nach Genehmigungen für Exporte an Algerien über 741 Mill. Euro. Auf Platz 3 liegen die USA mit 377 Mill. Euro. Zuletzt war im September die Lieferung des Artillerieortungsradars Cobra vom Konsortium Euro-Art – bestehend aus Thales, Airbus Defence and Space und Lockheed Martin – genehmigt worden. Vor allem aber geht es bei den Ausfuhren im Rüstungssektor um Patrouillenboote von der Lürssen-Werft, die auf der Peene-Werft in Wolgast im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern gebaut werden.Im Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und SPD vereinbart, dass ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigt werden, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Dies ist bei Saudi-Arabien der Fall. Eine Öffnungsklausel regelt Folgendes: Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben. Abnehmer ist Saudi-Arabien auch vom Sturmgewehr G 36, das Heckler & Koch produziert. Zudem besteht Interesse an der Lieferung von Eurofighter-Ersatzteilen für 72 Flugzeuge, die das Königreich bereits erworben hat. Interessiert ist es am Kauf weiterer 48 Maschinen. Am Eurofighter-Konsortium sind Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien beteiligt.DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte, die deutsche Wirtschaft sei in Sorge. Die klare Haltung der Bundesregierung im Fall Khashoggi sei ein “richtiges Zeichen” und Aufklärung erforderlich. Die rund 800 in Saudi-Arabien tätigen deutschen Unternehmen benötigten Vertrauen und Rechtssicherheit. Zudem könne der wirtschaftliche Transformationsprozess gesellschaftliche Fortschritte bewirken. Rückgang erwartet2017 erreichten die deutschen Ausfuhren nach Saudi-Arabien nach Angaben von German Trade & Invest rund 6,6 Mrd. Euro, die Einfuhren 800 Mill. Euro. Für 2018 rechnet der DIHK mit einem Rückgang der Exporte auf rund 6 Mrd. Euro nach den politischen Spannungen der vergangenen zwölf Monate. Nach Branchen liegt der Maschinenbau an der Spitze (siehe Grafik). Das Bruttoinlandsprodukt Saudi-Arabiens lag 2017 bei 684 Mrd. Dollar. Größter Lieferant war mit 21 % China, gefolgt von den USA mit knapp 19 % und den Vereinigten Arabischen Emiraten von fast 9 % Deutschland folgt mit 8 %. Rund 85 % der Ausfuhren Saudi-Arabiens hängen mit Erdöl zusammen. Bei den deutschen Ausfuhren liegt Saudi-Arabien auf Rang 39 unter 239 Handelspartnern.