Industrieproduktion höher als befürchtet
Industrieproduktion höher als zwischendurch befürchtet
Plus von 0,3 Prozent im deutschen verarbeitenden Gewerbe – Vormonatswert kräftig nach oben revidiert – Bau überrascht
Die deutsche Wirtschaft ist nur äußerst verhalten in das zweite Quartal gestartet. Zwar hat die Industrieproduktion im April leicht zugelegt, angesichts der seit langem rückläufigen Auftragseingänge und sinkenden Umsätzen sind die Aussichten für das verarbeitende Gewerbe aber mau. Die Geschäfte der Dienstleister, die mit einem immer langsameren Tempo noch wachsen, werden sich dem nicht mehr lange entgegenstemmen können. Und vom privaten Verbrauch sind wegen der nur langsam zurückfallenden Inflation, die auch weiter für Reallohnverluste sorgt, keine großen Sprünge zu erwarten. Ökonomen fürchten auch angesichts der Trübnis signalisierenden Stimmungsindikatoren, dass das Bruttoinlandsprodukt auch im zweiten Quartal schrumpfen wird. Nach dem Minus von 0,5% und 0,3% in den beiden vergangenen Quartalen würde sich die Rezession damit auf drei Quartale verlängern.
Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) haben Industrie, Bau und Energieversorger im April 0,3% mehr produziert als im Vormonat. Ökonomen hatten ein Plus von 0,6% prognostiziert, nach dem unerwarteten Auftragsminus von 0,4% und den erneut geringeren Umsätzen, über die Destatis am Dienstag berichtet hatte, aber schwächere Produktionsdaten erwartet. Zudem war die Gesamtfertigung im März mit –2,1% doch nicht ganz so kräftig gefallen wie mit –3,4% zunächst berichtet.
Für das Bundeswirtschaftsministerium zeigt sich im Vormonatsvergleich „eine Stabilisierung, nachdem es im März nach den zuvor kräftigen Anstiegen zu einem Dämpfer gekommen war“. Im aussagekräftigeren Zweimonatsvergleich allerdings habe sich noch ein spürbarer Rückgang um 1,1% ergeben. „Angesichts einer weiter gedämpften Nachfrage, insbesondere aus dem Ausland, und der zuletzt wieder etwas eingetrübteren Stimmung in den Unternehmen ist von einer zunächst noch verhaltenen Belebung der Industriekonjunktur auszugehen“, mahnte das Wirtschaftsministerium.
Prognosen gesenkt
Ökonomen zeigten sich skeptischer: „Zieht die Nachfrage nicht bald an, wofür es derzeit keine Hinweise gibt, dürften die Unternehmen spätestens in der zweiten Jahreshälfte beginnen, ihre Produktion herunterzufahren und damit dazu beitragen, dass die deutsche Wirtschaft erneut schrumpfen wird“, kommentierte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Für Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank ist der Produktionszuwachs „nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“. Zuletzt war das Niveau Anfang 2015 so niedrig wie jetzt und im Vergleich zur Vor-Corona-Lage klaffe weiter ein sattes Minus von 4,4%. „Dies ist insofern erstaunlich, da gesunkene Lieferengpässe, niedrigere Energiepreise und dicke Auftragspolster eigentlich höhere Produktionsaktivitäten ermöglichen.“ Auch politisch verursachte Unsicherheiten stünden einer höheren Produktionsdynamik zurzeit aber entgegen. Angesichts der trüben Aussichten erwartet Krüger für das Gesamtjahr 2023 nun ein Schrumpfen der Wirtschaft um 0,3%. Zuvor hatte er ebenso wie das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) eine Stagnation auf dem Zettel. Das HWWI wiederum senkte die Prognose für 2023 auf –0,5%.
Der Blick auf die Sektoren zeigt, dass die energieintensiven Branchen trotz geringerer Energiepreise den Ausstoß zurückgefahren haben, und zwar um 1,1%. Im gewichtigen Autosektor wurde 0,8% weniger gefertigt, im Maschinenbau lag das Minus bei 0,5%. In der Industrie insgesamt blieb der Output nahezu unverändert (+0,1%), während die Energieerzeugung um 1,5% sank. Das Plus im Baugewerbe von 2,0% ist angesichts des Einbruchs der Auftragseingänge insbesondere im Wohnungsbau für Commerzbank-Ökonom Solveen nur „eine Momentaufnahme“. Im weiteren Jahresverlauf erwartet er hier ein deutliches Minus.