DIE FOLGEN DER US-ZINSWENDE

Inflation durch den Wechselkurs

Ein schwächerer Euro belebt den Export und die Teuerung im Inland, kann aber großen Schaden anrichten

Inflation durch den Wechselkurs

Von Reinhard Kuls, Frankfurt”Die Europäische Zentralbank betreibt keine Wechselkurspolitik.” Diese von den Repräsentanten der Europäischen Zentralbank (EZB) gebetsmühlenartig wiederholte Aussage ist richtig. Dann aber auch wieder nicht.Einziges Ziel der EZB ist laut Statut der Erhalt des Geldwerts im Euro-Währungsraum. Ihr Stabilitätsziel definiert sie mit einer jährlichen Zunahme der Verbraucherpreise um nahezu 2 % auf mittlere Sicht. In zweiter Linie hat die Notenbank das Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Vom Wechselkurs steht da nichts.Und doch kann und darf die EZB den Außenwert des Euro nicht außer Acht lassen, beeinflusst er Inflation und Wachstum zum Teil doch ganz unmittelbar. Kein Wunder also, dass die EZB in ihrem Bemühen, die Inflationsrate im Euroraum von der derzeit kaum überragten Nulllinie wegzuholen, auch den Weg über eine Euro-Abwertung geht. Auch wenn sie es nicht offen zugibt.Anfang 2014 drückte EZB-Chef Mario Draghi mit besorgten Äußerungen den Euro-Kurs unter die Marke von 1,40 Dollar. Die Ankündigung überquellender Liquidität mittels des Staatsanleihenkaufprogramms Quantitative Easing der EZB setzte den Euro Anfang 2015 weiter unter Druck. Und die Andeutungen, QE noch auszuweiten, taten zuletzt ein Übriges (siehe Grafik).Die US-Notenbank erleichtert mit ihrer ersten Leitzinserhöhung seit neun Jahren der EZB das Geschäft, was den Wechselkurs anbelangt, noch etwas. Durch die diametral auseinanderstrebenden Richtungen der zwei wichtigsten Notenbanken der Welt wird die Abwertungsphase beim Euro voraussichtlich aber noch etwas verlängert. Viel Luft nach unten geben Experten dem Euro jedoch nicht mehr, meist sieht man ihn auf Höhe der Parität zum Dollar oder sogar geringfügig fester. Dies, solange nicht neue Schocks auftreten oder grundlegende Kurswechsel der relevanten Notenbanken kommen.Der größte Teil der aktuellen Abwärtsbewegung des Euro liegt wohl hinter uns, aber einige der Effekte niedriger Wechselkurse setzen erst verzögert ein, etwa im Außenhandel. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure wird dabei erhöht, Importeure haben es dagegen schwerer – der Außenbeitrag kann also mehr zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum beisteuern. Im Jahr 2015 dürfte der Export vom schwächeren Euro deutlich belebt worden sein. Volkswirte gehen davon aus, dass die Ausfuhren 2015 um fast 5 % zugenommen haben, nach 3,8 % im Jahr davor. Das Jahr 2016 sollte dann schon wieder eine leichte Verlangsamung auf etwa 4 1/2 % bringen. Die Prognosen für die Steigerungsraten der Importe liegen jeweils um etwa einen Viertelpunkt darüber.Abwertungen waren schon immer ein probates Mittel zur Ankurbelung der Konjunktur. Aber sie bergen ein sehr hohes Risiko: Über den quasi künstlichen Preisvorteil verhindern sie die zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit notwendigen Reformen von Unternehmen und ganzen Volkswirtschaften. Trauriges Beispiel ist Italien, das sich nach Jahrzehnten der Reformverweigerung erst jetzt aufgerafft hat, das alles in größter Mühe wieder aufzuholen.Schneller zu höheren Teuerungsraten als der Umweg über die inflationsinduzierende Wirkung eines Wirtschaftsaufschwungs führt die EZB der direkte Kanal über die Importpreise für Konsumgüter. Doch auch hier ist der Erfolg nicht garantiert. Wenn nämlich der Weltmarktpreis der Importgüter, so sie nicht in Euro fakturiert werden, schneller sinkt als der Euro-Außenwert, bleibt die Wirkung aus. Das musste die EZB beim Ölpreis über die letzten Jahre hinweg schmerzlich feststellen. Nun geht man allgemein davon aus, dass allein schon über einen Basiseffekt der Ölpreis seine inflationshemmende Wirkung 2016 einbüßt. Die Teuerungsrate dürfte wohl trotzdem nur auf etwa 1 % steigen.