Konjunktur

Inflationsdruck in Großbritannien lässt stärker nach als erwartet

Während die Inflation zuletzt nahezu weltweit deutlich gefallen ist, hatte sie in Großbritannien sogar noch einmal angezogen. Das hatte die Bank of England enorm unter Druck gesetzt. Jetzt gibt es zumindest ein wenig gute Nachrichten von der Preisfront.

Inflationsdruck in Großbritannien lässt stärker nach als erwartet

Die Inflation in Großbritannien hat sich im Juni deutlich und auch stärker als erwartet abgeschwächt. Die Teuerungsrate ging von 8,7% im Vormonat auf 7,9% zurück, wie das nationale Statistikamt ONS am Mittwoch bekannt gab. Analysten hatten hingegen mit 8,2% gerechnet. Der überraschend starke Rückgang schürte Spekulationen, dass die Bank of England bei ihrer Sitzung Anfang August ihren Leitzins nur um 25 und nicht erneut um 50 Basispunkte anhebt. Experten sehen das aber weiter als knappe Entscheidung.

Globaler Ausreißer

Während die Inflation zuletzt nahezu weltweit deutlich gefallen war, hatte sie in Großbritannien sogar noch einmal angezogen. Das hatte zu Diskussionen geführt, ob sich das Inflationsproblem auf der Insel noch hartnäckiger halten könnte als etwa in den USA und Euroland. Die Bank of England hatte wegen des Anstiegs der Inflation ihren Leitzins im Juni wieder um 50 Basispunkte auf 5,0% angehoben. Zuvor hatte sie ihn zweimal in Folge nur um 25 Punkte erhöht. Marktteilnehmer hatten in der Folge zuletzt auf erneut 50 Punkte im August und einen Zinsgipfel von 6,0% gewettet. Die mitunter volatile Kommunikation und Geldpolitik der Notenbank steht durchaus in der Kritik.

Gut zwei Wochen vor der Sitzung am 3. August sind die neuen Inflationszahlen nun zumindest eine gute Nachricht. Erstmals seit mehr als einem Jahr sank die Teuerung wieder unter 8% und erstmals seit fünf Monaten fiel die tatsächliche Rate niedriger aus als prognostiziert. „Die wichtigste Nachricht heute ist, dass die Inflation niedriger ist als erwartet, was das Narrativ nährt, dass wir das Schlimmste hinter uns haben“, sagte Kitty Ussher, Wirtschaftswissenschaftlerin beim Institute of Directors. „Obwohl das Vereinigte Königreich mit einer Gesamt- und Kerninflation, die weiterhin über den Raten in den USA und der Eurozone liegt, nach wie vor ein Inflationsausreißer ist, nehmen die positiven Nachrichten eine Menge Druck von der Bank of England“, sagte auch Kallum Pickering, Volkswirt bei der Berenberg Bank.

Die britischen Statistiker erklärten den schwächeren Preisauftrieb im Juni vor allem mit niedrigeren Kraftstoffpreisen. Lebensmittel hätten sich zwar weiter verteuert, allerdings nicht mehr so stark wie noch im Vorjahresmonat. Nicht nur die Gesamtteuerung, sondern auch die Inflation ohne Energie und Lebensmittel ging zurück. Sie sank von 7,1% auf 6,9%. Viele Fachleute halten diese sogenannte Kernteuerung für aussagekräftiger als die Gesamtrate und für den besseren Gradmesser für die künftige Inflationsentwicklung.

James Smith, Volkswirt bei ING, hob vor allem die Entwicklung bei der Dienstleistungsinflation hervor, weil diese zentral sei für die Bank of England. Und da habe sich der positive Trend fortgesetzt. Der Verbraucherpreisindex für den Dienstleistungssektor ging von 7,4% auf 7,2% zurück – was laut Smith auch den Prognosen der Bank of England widerspreche, wonach er in nächster Zeit unverändert bleiben sollte. „Wie immer weisen wir darauf hin, dass ein Monat noch keinen Trend darstellt, aber wir gehen davon aus, dass die Inflation im Dienstleistungssektor im weiteren Verlauf dieses Jahres allmählich zurückgehen wird“, sagte Smith.

Lohnwachstum macht Sorgen

Marktteilnehmer und Ökonomen spekulierten nun, dass die Bank of England Anfang August zu 25 Basispunkten zurückkehren könnte. „Wir halten aufgrund der jüngsten Daten eine Anhebung um 25 Basispunkte für wahrscheinlicher als eine erneute Anhebung um 50 Basispunkte“, sagte Smith. Ähnlich äußerten sich auch andere Experten. Gleichwohl gilt das nicht nur Smith als „knappe Entscheidung“, wie er es nannte. Zuletzt war vor allem das Lohnwachstum stärker ausgefallen als erwartet (vgl. BZ vom 12. Juli), was die Bank of England sorgt und alarmiert. Zugleich schwächt sich aber der Arbeitsmarkt etwas ab.

Inflation in Großbritannien sinkt stärker als erwartet

Teuerung fällt erstmals seit mehr als einem Jahr auf unter 8 Prozent – Folgen für die Bank of England umstritten

ms Frankfurt
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