Initiative für Standort D gefordert

Wirtschaftsweise kontern Brüsseler und Washingtoner Kritik an deutschen Leistungsbilanzüberschüssen

Initiative für Standort D gefordert

Die hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse können nicht mit steigenden Staatsausgaben oder höheren Löhne gemindert werden, sondern bilden sich nur zurück, wenn die Investitionsbedingungen für den Standort Deutschland verbessert werden. Das betonten die Bundesbank und die Mehrheit der Wirtschaftsweisen in Analysen.lz Frankfurt – Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (“Wirtschaftsweise”) und die Deutsche Bundesbank haben die Exportstärke Deutschlands gegenüber Kritik aus Brüssel und Washington verteidigt. “Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist zwar hoch, doch signalisiert dies kein makroökonomisches Ungleichgewicht”, sagte der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, in Frankfurt. Der Überschuss komme aus dem Zusammenspiel verschiedenster Akteure am Markt zustande. Vor allem sei er kein Produkt einer Währungsmanipulation, wie zuletzt Peter Navarro, Wirtschaftsberater der neuen US-Regierung, Berlin vorgeworfen habe. Ein solcher Vorwurf sei “absurd” angesichts der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, sagte er.Die deutsche Wirtschaft sei zudem nicht verpflichtet, sich schlechter zu machen, betonte er. Allerdings müsse sich die Politik fragen, “warum deutsche Unternehmen vergleichsweise viel im Ausland und nicht im Inland investieren”. Berlin sollte sich eher darauf konzentrieren, die Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland zu steigern. Die Wirtschaftsweisen schlugen dazu vor, die Abschreibungsbedingungen zu verbessern, die Umsetzung der Energiewende kostenmäßig effizienter zu gestalten und die unterschiedliche Behandlung von Eigen- und Fremdkapital anzugleichen.Höheren Staatsausgaben und einer deutlichen Anhebung der Löhne zumindest im öffentlichen Sektor, worauf Bund, Länder und Kommunen Einfluss haben, erteilte die Mehrheit des Rats eine Absage. Eines seiner Mitglieder, der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, fordert eine solche Herangehensweise. Ein Grund für die hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands sei das jahrelang zu geringe Lohnplus, beschied er.Diese Ansicht kritisierte der Wirtschaftsweise Lars Feld. Die moderaten Lohnsteigerungen hätten schließlich zu mehr Arbeitsplätzen geführt; umgekehrt würden wieder Jobs verloren gehen, wenn die Löhne über alle Maßen steigen. Das müsse man zur Kenntnis nehmen, sagte er.Bofinger, so die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel, stelle Deutschland zudem als Buhmann da. Dabei fungiere das Land als Stabilitätsanker für Europa. Schmidt warnte vor einer neuen Umverteilungs- und Gerechtigkeitsdiskussion in diesem Zusammenhang. Denn dann brauche man sich “nicht wundern, wenn die Unternehmen hier am Standort nicht mehr investieren wollen”.Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss steht seit Jahren in der Kritik. Deutschland verkauft deutlich mehr Waren ins Ausland, als von dort eingeführt werden. 2016 stieg der Überschuss auf 266 Mrd. Euro. Die neue Regierung unter Donald Trump hatte den Ton zuletzt deutlich verschärft. Die deutschen Exporte in die USA übertrafen 2016 die Importe von dort um 49 Mrd. Euro.Auch die EU-Kommission fordert seit geraumer Zeit Berlin auf, etwas gegen den Leistungsbilanzüberschuss zu machen. Sie sieht darin Gefahren für den Euroraum durch ökonomische Ungleichgewichte. Die Deutsche Bundesbank hält daraus abgeleitete Brüsseler Empfehlungen, wonach Deutschland zum Überschussabbau die Staatsausgaben für die Infrastruktur erhöhen soll, indes für gefährlich. Eine gute staatliche Infrastruktur sei zwar wichtig für eine solide wirtschaftliche Entwicklung, heißt es im neuen Monatsbericht. Es stelle sich aber die Frage, “ob eine noch stärker expansiv ausgerichtete Fiskalpolitik in der augenblicklichen Konjunkturlage angemessen wäre”. Die Ökonomen verweisen auf den hohen Auslastungsgrad der deutschen Wirtschaft. Das würde einer raschen Ausweitung der Aktivitäten Grenzen setzen und eher für mehr Inflation sorgen.