Deutsche Konjunktur

Institute sehen skeptisch auf deutsche Wirtschaft

Winterrezession, hohe Inflation, fallende Bauinvestitionen und keine Erholung beim privaten Konsum – alles Gründe für das Ifo-Institut und das IMK, die Prognosen für die deutsche Wirtschaft herunterzuschrauben. Sie sind sogar noch skeptischer als andere Institute, die vergangene Woche bereits Hand an ihre Voraussagen gelegt haben.

Institute sehen skeptisch auf deutsche Wirtschaft

Institute kappen Wachstumsprognose

Deutliches Schrumpfen der deutschen Wirtschaft erwartet – Inflation sinkt nur langsam

ba Frankfurt

Die Winterrezession und die hohe Inflation, die an der Kaufkraft der Verbraucher nagt, machen es der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr schwer. Daher haben nun auch das Ifo-Institut und das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr deutlich gesenkt. Aber auch für 2024 zeigen sich die Ökonomen skeptisch.

Das Ifo-Institut erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 um 0,4% schrumpft – im Frühjahr hatten die Münchener noch ein Minus von 0,1% erwartet. Die Prognose für 2024 wurde um 0,2 Prozentpunkte auf 1,5% gekappt. Das IMK wiederum hat für 2023 ein Minus von 0,5% vorhergesagt. Bislang waren die Forscher von einer Stagnation ausgegangen. Dafür ließen sie die Voraussage für 2024 von 1,2% unverändert. Sowohl das Ifo als auch das IMK zeigt sich damit um einiges zurückhaltender als die Forscher des IfW Kiel, des RWI und des DIW, die in der vergangenen Woche in ihren Sommerprognosen ein Schrumpfen des BIP von 0,3 bzw. 0,2% für 2023 vorausgesagt hatten und 2024 ein Wachstum zwischen 1,5 und 2,0% erwarten.

Für die nur verhaltene Erholung machen die Forscher mehrere Gründe aus: „Wegen der hohen Inflation sinkt der private Konsum in diesem Jahr um 1,7%“, erklärte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Erst 2024 dürfte er wieder zunehmen, und zwar um 2,2%. Hierzulande macht der private Konsum rund die Hälfte der Wirtschaftsleistung aus. Zudem weist Wollmershäuser darauf hin, dass die Bauinvestitionen noch schneller schrumpfen würden: „Nach −1,8% im vergangenen Jahr werden es −2,2% in diesem und −3,2% im Jahr 2024.“ Der Anstieg der Baupreise gehe nur langsam zurück und die Kreditzinsen würden hoch bleiben, so dass sich die Nachfrage weiter verringern werde. Nachdem die Coronamaßnahmen weggefallen sind, sei der Staatskonsum deutlich zurückgegangen, heißt es beim IMK. Hinzu komme eine eher verhaltene Entwicklung des Außenhandels, da die Weltwirtschaft lediglich „mit geringer Dynamik auf Erholungskurs gehen“ werde. So dürften die USA in diesem Jahr allenfalls um 1,1% wachsen.

Auf der konjunkturellen Habenseite sieht das IMK neben der nachlassenden Inflation kontinuierlich wachsende Ausrüstungsinvestitionen. Gründe dafür seien unter anderem die ökologische Transformation der Wirtschaft und wachsende Rüstungsausgaben des Staates. Das Ifo erwartet, dass die Industrie dank der hohen Auftragsbestände die Produktion weiter moderat ausweitet und mit dem allmählichen Auslaufen der Lieferengpässe wieder deutlich kräftiger expandiert.

IMK fordert EZB zur Zurückhaltung auf

Mit Blick auf die Teuerung erwarten die Institute nur eine allmähliche Entspannung: „Die Inflation wird langsam sinken von 6,9% 2022 auf 5,8% in diesem Jahr und dann auf 2,1% 2024“, heißt es beim Ifo. Das IMK rechnet für das laufende Jahr mit „noch hohen 5,3%“, wobei sich sich der Preisauftrieb im Jahresverlauf aber verringere. 2024 dürfte die Teuerungsrate mit 2,4% wieder relativ nahe am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen. Da „zugleich aber die kräftigen Zinserhöhungen der vergangenen Monate ihre volle Wirkung erst mit Zeitverzögerung entfalten, sollte die EZB mit ihren Zinsschritten nun zunächst eine Pause einlegen und die weitere Entwicklung abwarten“, mahnte Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK. Die EZB hat seit der Zinswende im vergangenen Sommer den Leitzins in einem beispiellosen Tempo auf nun 4,0% nach oben geschraubt.

Dem Arbeitsmarkt bescheinigen die Wirtschaftsforscher eine robuste Konstitution: Das IMK erwartet eine Arbeitslosenquote von 5,5% in diesem und im kommenden Jahr. Das entspreche knapp 2,6 Millionen Menschen ohne Job – 150.000 mehr als 2022. Das Ifo-Institut rechnet mit einer Arbeitslosenquote von 5,3% und 5,5% in den Jahren 2023 und 2024. Gleichzeitig steige die Zahl der Erwerbstätigen von 45,57 Millionen auf 45,95 in diesem Jahr, 2024 sollen es dann 46,07 Millionen Menschen sein.

Staatsfinanzen kommen „allmählich aus dem Krisenmodus“ heraus

Die Staatsfinanzen sollten sich den Voraussagen zufolge ebenfalls erholen. Zwar würden sich die Steuereinnahmen 2023 etwas schwächer entwickeln, nicht zuletzt als Folge verschiedener steuerlicher Entlastungen, heißt es beim IMK. Zugleich setze der Staat zur Krisenbekämpfung eine Menge Geld ein, unter anderem für die Strom- und Gaspreisbremse, für höhere Verteidigungsausgaben sowie zur Flüchtlingsaufnahme. Auch Transferzahlungen wie das Kinder- und das Wohngeld würden steigen.

Das trage zur Stabilisierung der Konjunktur bei, führe aber 2023 auch zu einem Defizit des öffentlichen Budgets von 2,3%. Für das kommende Jahr geht das IMK für die öffentlichen Finanzen von einem „allmählichen Ausstieg aus dem Krisenmodus“ aus und prognostiziert einen Rückgang des Defizits auf 1,7%. Das Ifo-Institut sieht die Neuverschuldung des Staates von 106 Mrd. Euro im Jahr 2022 auf 69 Mrd. Euro in diesem und auf 27 Mrd. Euro im kommenden Jahr sinken. Deutlich steigen werde dagegen der deutsche Leistungsbilanzüberschuss mit dem Ausland von 145 Mrd. Euro auf 232 Mrd. Euro in diesem Jahr und sogar auf 269 Mrd. Euro im kommenden Jahr. „Das wären dann 6,3% der Wirtschaftsleistung, mehr als der von der EU empfohlene Schwellenwert von 6,0%“, heißt es beim Ifo-Institut.

IfoIMKIfWDIWRWI
2023202420232024202320242023202420232024
BIP−0,41,5−0,51,2−0,31,8−0,21,5−0,32,0
Arbeitslosenquote5,55,35,55,55,65,35,65,55,65,4
Inflationsrate5,82,15,32,45,82,15,92,55,52,0
Finanzierungssaldo des Staates*−1,7−0,6k.A.k.A.−1,70,9−2,4−1,4−1,2−0,4
Leistungsbilanzsaldo*5,76,3k.A.k.A.5,75,55,35,46,46,9
*) in % des BIP
Eckpunkte der Sommerprognosen
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