Irland nennt britischen Vorschlag "Schritt voran"

Boris Johnson sichert zu, sich an Gesetz zu halten, das Verlängerung der EU-Austrittsfrist erzwingen soll

Irland nennt britischen Vorschlag "Schritt voran"

hip London – Der irische Außenminister Simon Coveney hat den “endgültigen” Vorschlag der britischen Regierung zur Regelung des EU-Austritts als “Schritt voran” bezeichnet. Allerdings seien Änderungen nötig, um zu verhindern, dass Zollkontrollen durchgeführt werden müssen. “Die britische Regierung unter Boris Johnson hat erstmals akzeptiert, dass eine vollständige regulatorische Angleichung für alle Güter notwendig ist, um eine Grenzinfrastruktur unnötig zu machen”, sagte Coveney dem Rundfunksender RTE. Das sei ein sehr willkommener Fortschritt, den man schon deshalb anerkennen müsse, weil es in den vergangenen Wochen keine großen Fortschritte gegeben habe. Er werde nicht so tun, als habe man eine Lösung. Die Republik Irland müsse weiterhin vom Schlimmsten ausgehen und sich auf einen harten Brexit vorbereiten.Die Bundesregierung begrüßte grundsätzlich, dass Großbritannien konkrete Vorschläge zur Lösung des Brexit-Streits vorgelegt hat. Dies sei ein wichtiger Schritt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es sei nun allerdings an der EU-Kommission, sie zu bewerten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte zurückhaltend reagiert.Unterdessen machte ein weiteres von Brexit-Gegnern angestrengtes Verfahren am höchsten schottischen Zivilgericht (Court of Session) in Edinburgh Schlagzeilen. Die Kläger wollen Johnson auf juristischem Wege zwingen, die EU um eine Fristverlängerung zu bitten. Das Unterhaus hatte ein Gesetz verabschiedet (Benn Act), das ihn dazu zwingen soll, wenn bis zum 19. Oktober keine Einigung erzielt und vom Unterhaus beschlossen wird. Johnson hatte dagegen gesagt, er würde “lieber tot im Graben liegen”, als um eine Fristverlängerung zu betteln. Nun teilte die Regierung dem Gericht schriftlich mit, dass sie dem Gesetz folgen und um einen Aufschub bitten werde. Sie werde auch nicht versuchen, die Absicht des Gesetzes zu durchkreuzen, etwa indem sie Mitgliedstaaten darum bittet, ihr Veto einzulegen. Unter den Klägern befand sich die Abgeordnete Joanna Cherry von den schottischen Nationalisten, die bereits erfolgreich juristisch gegen die dem Parlament von Johnson verordnete Zwangspause vorgegangen war. Hintertür gesuchtGanz so einfach ist es aber nicht: “Die Regierung wird sich an den Benn Act halten”, zitiert die BBC eine nicht genannte Quelle in der Downing Street. Das Gesetz enthalte aber lediglich eine sehr eng gefasste Verpflichtung, die das noch zu verfassende Schreiben betrifft, in dem eine Fristverlängerung erbeten wird. Sie könne auf verschiedene Weise ausgelegt werden. Die Regierung werde durch das Gesetz nicht davon abgehalten, andere Dinge zu tun, die zu einem unverzüglichen Austritt führen – etwa durch ihre private und öffentliche Kommunikation. “Die Regierung macht ihre wahre Position zum Thema Fristverlängerung derzeit in Europa unter vier Augen bekannt, und das wird bald öffentlich werden.” Durchaus möglich, dass sich die Regierung dem Gericht gegenüber nur geäußert hat, weil sie sichergehen wollte, dass am Ende nicht jemand anderes den Auftrag erhält, das Schreiben an die EU zu verfassen, ein Mitarbeiter des öffentlichen Diensts etwa. Johnson twitterte zuversichtlich, Großbritannien werde den Handelsblock am 31. Oktober verlassen – mit oder ohne Deal, aber unverzüglich.Fathom Research geht allerdings davon aus, dass Großbritannien in der Person von Johnson oder einer Übergangsregierung Brüssel um einen Aufschub bitten wird, der von der EU auch bewilligt werden wird. Danach wird eine Neuwahl ausgerufen, so das zentrale Szenario der unabhängigen Analysten. Johnson werde die Tories mit dem Versprechen in die Wahl führen, die EU endgültig zu verlassen. “Und er wird die Wahl gewinnen, entweder mit einer Mehrheit oder in einer Koalition mit den nordirischen Unionisten (Democratic Unionist Party, DUP)”, sagt Erik Britton, CEO und Managing Director von Fathom. “Infolgedessen wird Großbritannien die EU verlassen. Ob dies mit oder ohne ,Deal` geschehen wird, wird man sehen.” Bei der US-Investmentbank Jefferies beziffert man mittlerweile die Wahrscheinlichkeit eines weiteren EU-Referendums auf 50 %, die einer Neuwahl auf 30 %.