SPANNUNG VOR EZB-SITZUNG

Italien sticht bei PEPP-Käufen Frankreich aus

Eurosystem erwirbt im Mai Anleihen in Rekordhöhe - EZB veröffentlicht erstmals Details zu Notfall-Kaufprogramm

Italien sticht bei PEPP-Käufen Frankreich aus

Zum ersten Mal hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Anleihekäufe im Rahmen ihres Krisenprogramms aufgeschlüsselt. Die Daten zeigen: Das hoch verschuldete Italien steht nach deutschen Schuldpapieren bei den Zentralbankern besonders hoch im Kurs. Das dürfte die Debatte über den EZB-Kapitalschlüssel verschärfen. rec Frankfurt – Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Verwerfungen infolge der Corona-Pandemie haben die Euro-Währungshüter die Schlagzahl ihrer Anleihekäufe nochmals erhöht und dabei insbesondere den italienischen Staat am Kapitalmarkt unterstützt. Im Mai erwarb das Eurosystem aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den 19 nationalen Notenbanken Wertpapiere im Volumen von 154 Mrd. Euro. Nie waren es innerhalb eines Monats mehr. Den Großteil machte das Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP mit 115,9 Mrd. Euro aus. Das zeigen Daten, die die EZB am Dienstag veröffentlichte. Aus ihnen geht zudem hervor: Von den insgesamt erworbenen Anleihen aller Euro-Staaten seit Auflage des Programms am 18. März entfiel ein überproportional großer Teil auf Schuldscheine Italiens. In deutlich geringerem Umfang hat die EZB bei Frankreich zugegriffen. Der größte Anteil entfällt auf deutsche Bonds.Es ist das erste Mal, dass die EZB ihre Anleihekäufe im Rahmen des “Pandemic Emergency Purchase Programme” (PEPP) aufschlüsselt. Die Daten zeigen, dass das Eurosystem beim Einsatz von PEPP zum Teil deutlich vom sogenannten Kapitalschlüssel der EZB abweicht. Unter Beobachtern, aber auch im EZB-Rat lösen vor allem die gezielten Hilfen für einzelne Euro-Staaten wie Italien teils heftigen Widerspruch aus. Auch bei der Sitzung des EZB-Rats heute und morgen zeichnet sich über die weitere Linie eine Kontroverse ab.Der EZB-Rat hat das Notfallanleihekaufprogramm am 18. März im Umfang von 750 Mrd. Euro aufgelegt, um die von der Pandemie gezeichnete Euro-Wirtschaft und die weit unter Ziel liegende Inflation anzukurbeln. Hauptsächlich erwirbt das Eurosystem öffentliche Schuldverschreibungen, die einen Anteil von vier Fünftel an den PEPP-Käufen über 234,7 Mrd. Euro bis Ende Mai ausmachen. Hinzu kommen Unternehmensanleihen. Umstritten ist, inwiefern der Kapitalschlüssel künftig noch als Richtschnur für die Anleihekäufe dient. Der Schlüssel ergibt sich zu gleichen Teilen aus der Bevölkerungsgröße und der Wirtschaftskraft des jeweiligen Euro-Landes. Streit über StaatsfinanzierungIm Zuge von PEPP hat der EZB-Rat die Orientierung am Kapitalschlüssel aufgeweicht, langfristig gilt er aber als maßgeblich. Mehrere Notenbanker haben indes angedeutet, die EZB könne noch weiter vom Kapitalschlüssel abrücken als bislang. Am deutlichsten wurde zuletzt der Chef der Banque de France, François Villeroy de Galhau, indem er sagte, das Festhalten am Kapitalschlüssel sei “eine unangemessene Einschränkung, die die Wirksamkeit unserer Interventionsbemühungen untergraben würde” (vgl. BZ vom 27. Mai). Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat wiederholt auf der “vollen Flexibilität” von PEPP beharrt.Die EZB argumentiert, nur so sei die gleichmäßige Transmission der Geldpolitik sicherzustellen. Kritiker wittern hinter den breiten Anleihekäufen (QE, Quantitative Easing) und insbesondere gezielten Hilfen hingegen monetäre Staatsfinanzierung, die der EZB laut EU-Vertrag verboten ist. Zusätzliche Brisanz erhält die Debatte durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum regulären Anleihekaufprogramm PSPP (Public Sector Purchase Programme). Die Karlsruher Richter hatten Anfang Mai zwar den Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung zurückgewiesen, dabei aber auf strikte Beschränkungen gepocht – etwa die Orientierung am Kapitalschlüssel. Beobachter erwarten, dass auch PEPP vor Gericht landen wird.Die Aufschlüsselung der PEPP-Käufe gibt der Debatte neue Nahrung. Bis Ende Mai hat das Eurosystem via PEPP italienische Staatsanleihen im Wert von 37,4 Mrd. Euro erworben, das entspricht 21,6 % der insgesamt in Schuldverschreibungen der Euro-Länder investierten 172,7 Mrd. Euro. Das liegt 4,6 Prozentpunkte über dem Anteil der Banca d’Italia am EZB-Kapital von knapp 17 %. Frankreichs Anteil am EZB-Kapital beläuft sich auf 20,4 %, die Staatsanleihen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone machten bis Ende Mai aber nur 13,7 % des PEPP-Portfolios aus. Leicht überproportional hat das Eurosystem auch bei Anleihen aus Deutschland und Spanien zugegriffen (siehe Grafik).Kauft das Eurosystem im bisherigen Tempo weiter, dürfte das ursprüngliche PEPP-Volumen von 750 Mrd. Euro bereits im Herbst ausgeschöpft sein. Beobachter erwarten deshalb, dass der EZB-Rat nachlegt, womöglich bereits bei seiner morgen beginnenden Sitzung. Als wahrscheinliches Szenario gilt eine Aufstockung um 500 Mrd. Euro und eine Verlängerung ins Jahr 2021. Denkbar ist auch, dass der EZB-Rat beschließt, freiwerdende Mittel aus auslaufenden Papieren wiederanzulegen.So verfährt die EZB bereits mit dem regulären, seit 2015 laufenden Anleihekaufprogramm APP (Asset Purchase Programme). Im Rahmen des APP erwarb das Eurosystem im Mai Wertpapiere im Umfang von knapp 38,2 Mrd. Euro. Auch hier entfiel der wesentliche Teil, knapp 29 Mrd. Euro, auf öffentliche Schuldpapiere, also den PSPP-Teil. Italienische Staatsanleihen spielten hierbei diesmal mit 2,9 Mrd. Euro eine eher untergeordnete Rolle, nachdem das Eurosystem in den Monaten zuvor auch hier überproportional zugegriffen hatte. Im November hatte der EZB-Rat unbefristete Nettokäufe im Umfang von 20 Mrd. Euro monatlich wiederaufgenommen. Im März hat der EZB-Rat weitere 120 Mrd. Euro bis Ende 2020 draufgelegt.