ESM-Reform

Italien strapaziert die Nerven der Eurogruppe

Als einziges Land der Eurozone hat Italien die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) noch immer nicht ratifiziert. Folgen hat das auch für alle anderen Euro-Staaten.

Italien strapaziert die Nerven der Eurogruppe

Italien strapaziert die Nerven der Eurogruppe

Donohoe dringt auf Ratifizierung der ESM-Reform – Sicherheitsnetz für Bankenabwicklung nur theoretisch einsatzbereit

rec/bl Santiago de Compostela/Mailand

Für Paschal Donohoe ist die Hängepartie um die Zukunft des Euro-Rettungsfonds ESM ein schmaler Grat. Einerseits ist der Chef der Eurogruppe darauf bedacht, jeden Eindruck zu vermeiden, er könnte den Italienern in ihre innere Angelegenheiten reinreden. Andererseits ist es Donohoe wichtig, im Namen der 19 anderen Euro-Staaten zu betonen: "Die Konsequenzen reichen über Italien hinaus."

Als einziges Mitglied der Eurozone hat Italien die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) noch immer nicht ratifiziert. Holt die Regierung das bis Ende des Jahres nicht nach, fehlt ein zentrales Element in der Sicherheitsarchitektur von Europas Finanzsystem: Der reformierte ESM soll die Schlagkraft des Bankenabwicklungsfonds SRF verdoppeln.

Die fehlende Ratifizierung aus Italien strapaziert die Nerven der Eurogruppe. Zu ihrem informellen Treffen in Santiago de Compostela hatte Donohoe Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti zum Rapport bestellt. Hinter verschlossenen Türen erläuterte Giorgetti seinen Kollegen im Beisein von Christine Lagarde, der Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), und ESM-Chef Pierre Gramegna die vertrackte Lage.

Abstimmung verschoben

Die stellt sich so dar: Eine Abstimmung über die Ratifizierung im Parlament wurde im Juni auf den Herbst verschoben. Ein neuer Termin steht noch nicht fest. Derzeit ist von einem Votum im November die Rede. Sicher ist das aber nicht. Insofern blieb Giorgetti nichts übrig, als es bei der Bestandsaufnahme zu belassen und seine Kollegen zu vertrösten.

Bis auf Weiteres muss sich der ESM deshalb auf "Trockenübungen" mit dem Abwicklungsfonds SRF beschränken. So schilderte Gramegna es in Santiago de Compostela. "Wir sind einsatzbereit", sagte er – aber eben nur in der Theorie. Sollte es eines Tages zu einer Bankenkrise kommen, muss der bis Jahresende mit 78 Mrd. Euro gefüllte SRF ohne den 68 Mrd. Euro schweren ESM-Backstop reichen.

Premierministerin Giorgia Meloni ist wegen der mit einer Inanspruchnahme von ESM-Hilfen verbundenen "zu strengen Auflagen" seit jeher gegen den ESM. Zu bestimmten Bedingungen ist sie aber zu einer Ratifizierung bereit. Sie würde die Gelder daraus gern allgemein für Wirtschaftshilfen verwenden.

Meloni verknüpft eine Ratifizierung unter anderem mit Zugeständnissen bei der Reform der Fiskalregeln und fordert, "strategische Investitionen" auszuklammern. Bundesfinanzminister Christian Lindner ist dagegen. Melonis Koalitionspartner, die rechtsnationale Lega von Vizepremier Matteo Salvini, ist vehement gegen eine Ratifizierung und sieht den ESM als eine Art Unterdrückungsmechanismus. Der andere Koalitionspartner, die Mitte-Rechts-Partei Forza Italia, ist dafür, fordert aber Korrekturen.

"In der Vergangenheit haben wir erlebt, wie schnell sich die wirtschaftlichen Bedingungen verändern können", warnte Donohoe. Gramegna verwies darauf, dass Ende 2023 vorsorgliche Kreditlinien des ESM auslaufen. Das mache eine Ratifizierung der ESM-Reform umso dringlicher.

Digitaler Euro ohne Eile

Deutlich weniger Eile legen die Protagonisten bei einem anderen strittigen Thema an den Tag, das die Eurogruppe umtreibt: dem digitalen Euro. Da dürfe man nichts "überstürzen", mahnte EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness, als sie im Vorfeld des Finanzministertreffens eine Rede auf der Finanzkonferenz Eurofi in Santiago de Compostela hielt. Nötig sei "eine ruhige, gründliche und demokratische Debatte zwischen den Institutionen, den Mitgliedstaaten und den Bürgern". Das werde hoffentlich "Verschwörungstheorien" rund um den digitalen Euro entgegenwirken.

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