Italiens neue Regierung plant mit größerem Defizit

Höhere Steuern für Barzahler - Expansives Budget

Italiens neue Regierung plant mit größerem Defizit

bl Mailand – Die neue italienische Regierung peilt für 2020 ein Haushaltsdefizit von 2,2 % an. Das erklärte Finanzminister Roberto Gualtieri. Das wäre mehr als die wohl 2 % in diesem Jahr. Premierminister Giuseppe Conte teilte mit, man werde auf eine Mehrwertsteuererhöhung verzichten können. Eine Kabinettssitzung mit Details dauerte bei Redaktionsschluss an. Italien hatte sich im Dezember gegenüber der EU-Kommission verpflichtet, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, sollten die Defizitziele anders nicht erreicht werden können.Der Haushaltsentwurf enthält Maßnahmen in der Größenordnung von mehr als 30 Mrd. Euro. Abgesehen von dem Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung plant die Regierung Steuersenkungen für die unteren Einkommensklassen und ein Investitionsprogramm für grüne Technologien nach deutschem Vorbild. Gualtieri versicherte, dass Maßnahmen der Vorgängerregierung wie die Mindestsicherung, das Vorziehen des Mindestrentenalters auf 62 Jahre und die Einheitssteuer für Freiberufliche nicht in Frage gestellt werden. Der Minister begründete die trotz angespannter Budgetsituation expansive Haushaltspolitik damit, dass ein zu einschneidender Sparkurs die schwache Konjunktur weiter abwürgen würde.Teile der Regierung, insbesondere der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), hatten punktuelle Erhöhungen der Mehrwertsteuer nicht ausgeschlossen. Sie waren damit sowohl bei der 5-Sterne-Bewegung als auch bei Italia Viva, der neuen Partei des früheren Premierministers Matteo Renzi, auf massive Ablehnung gestoßen. Conte plant nun sogar eine punktuelle Reduzierung von Mehrwertsteuersätzen.Der Haushaltsentwurf ist angesichts der stagnierenden Wirtschaft sowie möglicher Strafzölle für italienische Ausfuhren in die USA eng auf Kante genäht. Wegen des Anstiegs des Defizits drohen Konflikte mit der EU-Kommission, weil das strukturelle Defizit nicht sinkt. Dabei profitiert Rom von dem deutlich gesunkenen Zinsabstand (Spread) zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen. Bliebe der Spread für zehnjährige Bonds auf dem derzeitigen Niveau von 140 Basispunkten, würden sich die Refinanzierungskosten des Staates gegenüber der Vorgängerregierung um 4 Mrd. Euro pro Jahr reduzieren.Rom setzt auf ein Entgegenkommen Brüssels, weil die neue Regierung sich im Ton deutlich konzilianter gibt als die Vorgänger. Inhaltlich ist die Haushaltspolitik ähnlich expansiv wie die der im August gestürzten Regierung aus der rechtsnationalen Lega und den 5 Sternen.Eine Gegenfinanzierung für das Vermeiden der Mehrwertsteuererhöhung, die 23 Mrd. Euro in die Kassen gespült hätte, fehlt. Angestrebt werden Privatisierungserlöse, Ausgabeneinsparungen sowie Einnahmen aus dem Kampf gegen die Steuerflucht. Wer mit Kreditkarte zahlt, soll gegenüber Barzahlern von niedrigeren Mehrwertsteuersätzen profitieren. So soll ein Teil der auf jährlich 107 Mrd. Euro pro Jahr geschätzten Gelder, die dem Fiskus vorenthalten werden, in die Staatskassen fließen.