Globales Wachstum

IWF blickt mit Sorge auf die Weltwirtschaft

In der kommenden Woche findet die Jahrestagung des IWF und der Weltbank im marokkanischen Marrakesch statt. Im Zentrum steht die Lage der Weltwirtschaft und des globalen Finanzsystems. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa macht sich da so einige Sorgen.

IWF blickt mit Sorge auf die Weltwirtschaft

IWF blickt mit Sorge auf Weltwirtschaft

Fonds schätzt Kosten der Krisen auf fast 4 Bill. Dollar – Globales Wachstum bleibt schwach – Inflation als Top-Priorität

In der kommenden Woche findet die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank im marokkanischen Marrakesch statt. Im Zentrum steht die Lage der Weltwirtschaft und des globalen Finanzsystems. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa macht sich da so einige Sorgen.

ms Frankfurt

Die aufeinanderfolgenden Schocks seit dem Jahr 2020, also vor allem die Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und die hohe Inflation, haben weltweit zu wirtschaftlichen Verlusten in Höhe von knapp 4 Bill. Dollar geführt. Zu diesem Ergebnis kommt der Internationale Währungsfonds (IWF), wie IWF-Chefin Kristalina Georgiewa am Donnerstag in ihrer traditionellen Curtain-Raiser-Rede vor einer IWF-Jahrestagung sagte. Die diesjährige Jahrestagung findet nächste Woche im marokkanischen Marrakesch statt. Die Aussichten für die Weltwirtschaft schätzt der IWF aktuell weiterhin als trüb ein.

"Ökonomische Vernarbung"

Mit ihrer Rede gibt die IWF-Chefin gemeinhin den Ton für die Beratungen der Finanzminister und Notenbankchefs aus den 190 IWF-Mitgliedsländern vor – und der fällt trotz einiger erfreulicher Entwicklungen eher noch düster aus. Dabei ist es nicht allein die IWF-Kalkulation zu den Verlusten durch die vielen Krisen der vergangenen Jahre, die nachdenklich stimmt, sondern es sind vor allem die Aussagen zu den trüben Perspektiven. Damit wächst auch der Druck auf die politischen Entscheider, die nächste Woche in Marrakesch zusammenkommen.

Wie Georgiewa am Donnerstag sagte, schätzt der IWF, dass sich der kumulierte globale Outputverlust durch die aufeinanderfolgenden Schocks seit 2020 bis 2023 auf 3,7 Bill. Dollar beläuft. Der Fonds spricht da von „ökonomischer Vernarbung“. Dieser Verlust sei aber ungleichmäßig über die Länder verteilt. Die USA seien die einzige große Volkswirtschaft, in der die Produktion auf den Pfad vor der Pandemie zurückgekehrt sei. Der Rest der Welt liege immer noch unter dem Trend, wobei die Länder mit niedrigem Einkommen am stärksten betroffen seien. Grund sei, dass sie „sehr begrenzte Möglichkeiten hatten, ihre Volkswirtschaften zu puffern und die Schwächsten zu unterstützen“. Die wirtschaftliche Erholung nach den Krisen sei deshalb sehr uneinheitlich.

Georgiewa sagte zudem, dass die Erholung auch schwach sei. Die Weltwirtschaft habe sich zwar als „bemerkenswert widerstandsfähig“ erwiesen, und das erste Halbjahr 2023 habe „einige gute Nachrichten“ gebracht, vor allem wegen der unerwartet starken Nachfrage nach Dienstleistungen und spürbarer Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung. Wie an den neuen IWF-Prognosen zum globalen Wachstum nächste Woche zu sehen sein werde, bleibe das derzeitige Tempo des globalen Wachstums allerdings „recht schwach“. Es liege deutlich unter dem Durchschnitt von 3,8%, der in den zwei Jahrzehnten vor der Pandemie erreicht worden sei. Im Juli hatte der Fonds für 2023 und 2024 jeweils 3,0% Wachstum prognostiziert. „Und mittelfristig haben sich die Wachstumsaussichten weiter verschlechtert“, so Georgiewa.

Drei Prioritäten des IWF

Vor dem Hintergrund definierte Georgiewa drei Prioritäten für die politischen Entscheider: Erstens müsse es darum gehen, die ökonomische und finanzielle Stabilität zu stärken. Die weiter zu hohe Inflation zu senken sei weiterhin "Priorität Nummer 1". Das erfordere, dass die Leitzinsen noch für längere Zeit höher bleiben müssten. "Angesichts des Risikos eines Wiederauflebens der Inflation muss eine verfrühte Lockerung der Politik unbedingt vermieden werden", sagte Georgiewa.

Nachdem die Zentralbanken signalisiert hatten, dass der Zinsgipfel womöglich erreicht sein könnte, war an den Finanzmärkten zeitweise auf rasche Zinssenkungen spekuliert worden. In den vergangenen Tagen hatte da ein Umdenken stattgefunden, was für einige Turbulenzen vor allem an den Staatsanleihemärkten gesorgt hatte. Auf fiskalischer Site sieht der Fonds inzwischen "erhebliche Risiken". In den meisten Ländern brauche es eine straffere Fiskalpolitik – auch um wieder Budgetspielraum für künftige Schocks aufzubauen.

Als zweite Priorität sieht Georgiewa, die Grundlagen für ein inklusives, nachhaltiges Wachstum zu schaffen – etwa durch "transformatorische Reformen". Als dritte Priorität schließlich sieht sie die "Stärkung der kollektiven Widerstandsfähigkeit durch internationale Zusammenarbeit". Sie räumt dabei aber zugleich ein: "Gerade zu dem Zeitpunkt, an dem wir sie am meisten brauchen, wird die Zusammenarbeit schwächer. Die Brücken, die die Länder miteinander verbinden, zerbröckeln, während die Handels- und Investitionsschranken immer höher werden." Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben eine politisch-ökonomische Blockbildung provoziert und verstärkt, die der Fonds als großes Risiko für den globalen Wohlstand sieht.

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