IWF-Frühjahrstagung

IWF-Chefin warnt vor Impfstoffnationalismus

Bei der virtuellen IWF-Tagung beraten die Finanzminister und Notenbankchefs der 189 Mitgliedstaaten über die weltweite Lage. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa mahnt zur globalen Kooperation – vor allem beim Thema Impfungen.

IWF-Chefin warnt vor Impfstoffnationalismus

ms Frankfurt

IWF-Chefin Kristalina Georgiewa hat eindringlich an die politischen Entscheidungsträger in aller Welt appelliert, im Kampf gegen die Corona-Pandemie weiter zusammenzustehen und eng zu kooperieren – insbesondere beim Thema Impfungen. „Diese Krise hat gezeigt, wie unausweichlich unsere Schicksalsgemeinschaft ist. Jetzt müssen wir auf diesem breiteren Verantwortungsbewusstsein aufbauen, um eine faire Erholung zu fördern, eine postpandemische Welt, die für alle funktioniert“, sagte Georgiewa am Mittwoch anlässlich der IWF-Frühjahrstagung. Beim Thema Impfstoffe warnte sie unter anderem vor Exportkontrollen.

Mit ihren Aussagen stemmt sich Georgiewa nicht zuletzt gegen jegliche Form des Impfstoffnationalismus. Wenngleich stetig und von fast allen Seiten immer wieder globale Solidarität betont wird, tobt mitunter ein erbitterter Streit um die Impfstoffe. Europa liegt da etwa mit den USA und Großbritannien im Clinch. Zugleich kommen die Aussagen zu einer Zeit, da die wirtschaftliche Erholung weltweit zunehmend auseinanderläuft und viele Beobachter sich sorgen, dass speziell die ärmeren Länder abgehängt werden. Bei der virtuellen IWF-Tagung beraten die Finanzminister und Notenbankchefs der 189 Mitgliedstaaten über die weltweite Lage.

Georgiewa sagte, dass es in der Krise „Licht am Ende des Tunnels“ gebe. Der Fonds hatte am Dienstag seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft erneut angehoben – für das Jahr 2021 um 0,5 Prozentpunkte auf 6,0% und für 2022 um 0,2 Punkte auf 4,4% (vgl. BZ vom 7. April). Zu dieser positiven Entwicklung hätten nicht zuletzt „die außergewöhnlichen und koordinierten Maßnahmen des vergangenen Jahres“ beigetragen. Die Krise sorge aber zugleich weiter für „dunkle Schatten“. Dazu gehörten das Auseinanderklaffen der Konjunkturerholung und die große Unsicherheit über den weiteren Pandemieverlauf. Deswegen brauche es auch weiter eine enge internationale Kooperation.

Eine Priorität müsse es jetzt sein, jedem eine faire Chance auf eine Impfung zu geben, so Georgiewa. Das bedeute, die Produktion und den Vertrieb von Impfstoffen hochzufahren und Exportkontrollen zu vermeiden. Zugleich gehe es darum, die UN-geführte Impfstoffinitiative Co­vax voll zu finanzieren und „sicherzustellen, dass überschüssige Impfstoffe in ärmere Länder transferiert werden“, so die Bulgarin.

„Impfstoffpolitik ist Wirtschaftspolitik“, sagte Georgiewa. Laut IWF könnte ein schnellerer Fortschritt bei der Beendigung der Gesundheitskrise die globale Wirtschaftsleistung bis 2025 um 9 Bill. Dollar erhöhen. „Aber dieses Fenster der Möglichkeiten schließt sich schnell“, so die IWF-Chefin: „Die Wissenschaftler haben uns in Rekordzeit Impfstoffe zur Verfügung gestellt. Jetzt müssen die Regierungen den gleichen Sinn für Dringlichkeit zeigen und zusammenarbeiten, um Impfstoffe für alle bereitzustellen – überall.“

Als eine zweite Priorität nannte Georgiewa erneut die weitere Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung durch die Staaten und Zentralbanken. Es gehe jetzt um gezielte fiskalische Hilfen für Unternehmen und Haushalte. Zugleich sagte Georgiewa aber, dass mit fortschreitender Erholung die Hilfsmaßnahmen zu­rückgefahren werden müssten. Nötig seien zudem mittelfristig glaubwürdige Fiskalpläne (siehe auch Text unten). Die Staatsverschuldung ist weltweit rasant gestiegen. Angesichts rekordniedriger Zinsen streiten Volkswirte darüber, ob die Verschuldung eine Gefahr darstellt oder aktuell kein Problem ist. Die Zentralbanken müssten weiter für günstige Finanzierungsbedingungen sorgen, so Georgiewa. Der Fonds sorgt sich insbesondere, dass ein zu rascher Anstieg der US-Kapitalmarktzinsen weltweit zu Verwerfungen führen könnte.

Die dritte Priorität müssten laut Georgiewa öffentliche Investitionen in die Zukunft sein. Sie nannte dabei die digitale Infrastruktur, Gesundheit, Bildung und den Klimaschutz. 2021 habe das Potenzial, „das Jahr“ im Kampf gegen den Klimawandel zu werden, sagte sie.