Neue Prognose für Weltwirtschaft

IWF erwartet mehr Inflation und sorgt sich ums Wachstum

In Marrakesch kommen in dieser Woche die Finanzminister und Notenbankchefs aus aller Welt zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammen. Die Weltwirtschaft und das globale Finanzsystem befinden sich einer schwierigen Phase.

IWF erwartet mehr Inflation und sorgt sich ums Wachstum

IWF erwartet mehr Inflation – Sorgen ums Wachstum

Währungsfonds hebt Prognose für Teuerung im nächsten Jahr deutlich an – Appell an Zentralbanken – Weltwirtschaft dümpelt vor sich hin

In Marrakesch kommen in dieser Woche die Finanzminister und Notenbankchefs aus aller Welt zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammen. Die Weltwirtschaft und das globale Finanzsystem befinden sich einer schwierigen Phase. Sorgen bereitet vor allem der mittelfristige Ausblick.

ms Frankfurt

Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für das nächste Jahr noch einmal mehr Inflation als bislang schon. In seinem am Dienstag veröffentlichten Weltwirtschaftsausblick hob er seine globale Inflationsprognose für 2024 gegenüber dem Juli-Update deutlich um 0,6 Prozentpunkte auf 5,8% an. Im Vergleich zum April-Ausblick liegt die Prognose sogar 0,9 Prozentpunkte höher. Entsprechend appelliert der Fonds an die Zentralbanken, weiter entschlossen gegen die Teuerung vorzugehen, und warnt vor einer verfrühten geldpolitischen Lockerung. Zugleich heizt er aber selbst Spekulationen auf Zinssenkungen schon im nächsten Jahr an. Auf die Weltwirtschaft schaut der IWF mit einiger Sorge – vor allem auch auf die mittlere Frist.

Balanceakt für Notenbanken

Die neue IWF-Prognose wirft erneut ein Schlaglicht auf die extrem schwierige Lage, mit der die Zentralbanken weltweit konfrontiert sind. Einerseits ist die Inflation zwar vielerorts stark von den zyklischen Höchstständen im Herbst 2022 zurückgegangen; sie liegt aber immer noch merklich oberhalb des verbreiteten 2-Prozent-Inflationsziels. Andererseits wachsen nicht zuletzt wegen der beispiellosen Zinserhöhungen der Notenbanken die Sorgen um die Konjunktur. Die Warnungen, dass die Zentralbanken überziehen könnten, nehmen zu.

Teuerung erst 2025 wieder auf Ziel

Der IWF macht nun klar, dass er die Inflation längst nicht für besiegt hält. Zwar erwartet er einen Rückgang der globalen Teuerung von 8,7% im vergangenen Jahr auf 6,9% im laufenden und 5,8% im nächsten Jahr. Für 2024 liegt diese Prognose aber viel höher als zuletzt. Grund ist nicht zuletzt die sehr hartnäckige Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel. „Die meisten Länder werden die Inflation wahrscheinlich erst 2025 wieder auf das Zielniveau bringen“, sagte auch IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas.

Die starke Anhebung der Prognose für 2024 geht zwar vor allem auf die Schwellen- und Entwicklungsländer zurück. Aber auch für die entwickelten Volkswirtschaften hat der Fonds seine Prognosen angehoben – um 0,2 Prozentpunkte gegenüber dem Juli-Update auf 3,0%. Im Vergleich zum Weltwirtschaftsausblick im April sind es sogar 0,4 Punkte mehr.

Entsprechend klar ist auch das Plädoyer des Fonds: „Da die globale Kerninflation immer noch hoch ist und nur langsam zurückgeht, sollten die Zentralbanken generell einen straffen Kurs beibehalten und eine vorzeitige Lockerung der Geldpolitik vermeiden.“ Gleichzeitig gebe es „weniger Fälle, in denen beträchtliche Zinserhöhungen gerechtfertigt sind“. Zugleich würden sich die Erfordernisse in den einzelnen Ländern zur Gewährleistung der Preisstabilität immer mehr unterscheiden.

Zeitpunkt für Zinssenkungen

Zugleich spricht der Fonds aber selbst über mögliche Zinssenkungen im nächsten Jahr. „Sobald sich die zugrunde liegende Inflation deutlich abkühlt und sich die Inflation und die Inflationserwartungen dem Zielwert annähern, kann eine schrittweise Änderung der Zinssätze auf einen neutraleren geldpolitischen Kurs gerechtfertigt sein“, heißt es in dem Bericht. Im August hatte der Chef der Fed New York, John Williams, für einiges Aufsehen gesorgt, als er argumentierte, dass bei sinkender Inflation die Leitzinsen gesenkt werden könnten, damit der reale Zins – Leitzins minus Inflation – unverändert bleibt. Im September hatte dann auch EZB-Ratsmitglied Pablo Hernàndez de Cos im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass es "realistisch" sei zu erwarten, dass bei sinkender Inflation die sehr restriktiven Leitzinsen angepasst werden (vgl. BZ vom 23. September).

Insgesamt blickt der IWF mit Sorge auf die Lage der Weltwirtschaft, wie auch IWF-Chefin Kristalina Georgiewa vergangene Woche bereits signalisiert hatte (vgl. BZ vom 6. Oktober). Zwar setze sich die wirtschaftliche Erholung nach den Krisen der vergangenen Jahre fort und die Wahrscheinlichkeit einer „weichen Landung“ habe in den vergangenen Monaten zugenommen. Gemeint ist damit primär, eine Rückführung der Inflation ohne schweren wirtschaftlichen Absturz. „Die Widerstandsfähigkeit ist bemerkenswert“, sagte IWF-Chefökonom Gourinchas.

Sorge um China, Nahost im Blick

Allerdings bleibe die Erholung schwach und die prognostizierten Wachstumsraten lägen deutlich unterhalb der langjährigen Durchschnitte. „Die Weltwirtschaft humpelt, sie sprintet nicht“, so Gourinchas. Für das laufende Jahr erwartet der Fonds wie bereits im Juli ein Wachstum von 3,0%. Für 2024 revidierte er seine Prognose leicht von 3,0% auf 2,9% nach unten. Die Risiken sieht der Fonds als abwärtsgerichtet an. Als ein solches Risiko betrachtet er die Probleme am chinesischen Immobilienmarkt. Sollte sich die Krise verschärfen, sei das „ein bedeutendes Risiko für die globale Wirtschaft“. Für eine Einschätzung, inwieweit der neue Nahost-Konflikt zur Gefahr für die Weltwirtschaft werde, sei es „noch zu früh“, so Gourinchas.

Deutschland als Sorgenkind

Als ein Sorgenkind hat auch der IWF Deutschland ausgemacht. Der Fonds senkte seine Wachstumsprognose noch einmal auf –0,5% in diesem und 0,9% im nächsten Jahr. Unter den Industrieländern ist Deutschland damit das einzige Land, für das er eine schrumpfende Wirtschaftsleistung in diesem Jahr erwartet. Das dürfte die Debatte über den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Wirtschaftspolitik der Ampel-Regierung noch einmal befeuern.

Sorgen macht dem Fonds aber insbesondere auch der mittelfristige Ausblick. Die Prognose von 3,1% Wachstum sei die niedrigste seit Jahrzehnten. Vor der Pandemie hatte diese bei 3,6% gelegen. Damit schwinde auch die Perspektive für Schwellen- und Entwicklungsländer, beim Lebensstandard aufzuholen, so der IWF. Vor dem Hintergrund untermauert der Fonds auch seine Forderung nach Strukturreformen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.