IWF plädiert für Umdenken der Zentralbanken
IWF plädiert für Umdenken der Zentralbanken
Fonds betont Bedeutung kurzfristiger Inflationserwartungen – Notenbanken sollen besser und zielgerichteter kommunizieren
ms Frankfurt
Der Internationale Währungsfonds (IWF) rät den Zentralbanken, stärker auf die kurzfristigen Inflationserwartungen statt nur oder primär auf die mittel- und langfristigen Erwartungen zu schauen, und er appelliert an die Notenbanken, ihre Kommunikation zu verbessern. So erhöhten sich auch die Chancen für eine „weiche Landung“ der Volkswirtschaften, schreiben Experten des Fonds in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Kapitel aus dem neuen Weltwirtschaftsausblick, der kommende Woche zur IWF-Jahrestagung in Marrakesch in Gänze veröffentlicht wird.
Länger höhere Leitzinsen
Die Inflationserwartungen spielen wegen ihrer Bedeutung für die Lohn- und Preissetzung seit jeher eine zentrale Rolle für die Geldpolitik, aber in der jüngsten Phase mit der höchsten Inflation seit Jahrzehnten gilt das umso mehr. Der Fokus der Notenbanken liegt dabei jedoch zumeist auf den längerfristigen Erwartungen. Hintergrund ist nicht zuletzt, dass die Geldpolitik mittelfristig wirkt und die kurzfristigen Erwartungen als stark abhängig vom aktuellen Inflationstrend gelten. Der Fonds plädiert da nun für ein gewisses Umdenken.
Bemerkenswert ist die Analyse zudem mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen und den derzeitigen Kurs der Zentralbanken. Während die mittel- und langfristigen Inflationserwartungen auch in der Hochinflationsphase vielfach relativ stabil im Bereich des verbreiteten 2-Prozent-Inflationsziels verharrten, stiegen die kurzfristigen Erwartungen in den Jahren 2021 und 2022 zeitweise rasant an. Inzwischen sind sie zwar wieder etwas gesunken, bleiben aber erhöht. Ein stärkerer Fokus auf die kurze Frist könnte also auch dafür sprechen, dass die Zentralbanken länger an höheren Leitzinsen festhalten.
„Die Entwicklung der kurzfristigen Erwartungen ist für die Inflationsdynamik von wirtschaftlicher Bedeutung“, heißt es nun in der Analyse der IWF-Ökonomen Silvia Albrizio und John Bluedorn. Neue statistische Analyse zeigen demnach, „dass die Inflation nach dem Abklingen der Inflationsschocks im Jahr 2021 und Anfang 2022 Ende letzten Jahres zunehmend durch kurzfristige Erwartungen erklärt wird“. Mehr noch: „Für die durchschnittliche fortgeschrittene Volkswirtschaft sind sie inzwischen der wichtigste Treiber der Inflationsdynamik.“ Nach Berechnungen des IWF steigt die Inflation in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften in der Regel um etwa 0,8 Prozentpunkte für jeden Anstieg der kurzfristigen Erwartungen um 1 Prozentpunkt.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund kommen die IWF-Experten auch zu dem Schluss, dass die Zentralbanken bessere Chancen hätten, die aktuell nach wie vor zu hohe Inflation ohne Rezession einzudämmen, wenn sie ihre Geldpolitik besser kommunizierten. Die Kommunikation sei der Schlüssel, um sicherzustellen, dass Haushalte und Unternehmen sich bei der Bildung ihrer Inflationserwartungen nicht zu sehr auf frühere Steigerungen der Verbraucherpreise konzentrieren.
"Der Erwartungskanal ist entscheidend", so die Autoren. "Verbesserungen des geldpolitischen Rahmens und der Kommunikationsstrategien der Zentralbanken können dazu beitragen, die Inflation schneller und zu geringeren Outputkosten wieder auf das Zielniveau zu bringen – mit anderen Worten, sie können die Chancen für eine 'weiche Landung' der Wirtschaft erhöhen." Die Kommunikation müsse zielgerichteter auf einzelne Personengruppen ausgerichtet werden. Weltweit versuchen Zentralbanken, in ihrer Kommunikation weniger Fachjargon zu verwenden und zugänglicher zu werden für die Menschen. In den USA kündigte die US-Notenbank Fed erst diese Woche an, dass sie sich Instagram und Threads anschließen wird.
Traditionelle Straffung zentral
Die Experten betonen aber zugleich, dass bessere Rahmenwerke und Kommunikationsstrategien die traditionelleren geldpolitischen Straffungsmaßnahmen ergänzen sollen – "die nach wie vor entscheidend sind, um die Inflation rechtzeitig wieder auf das Zielniveau zu bringen", wie es in der Analyse heißt.